Gerechte Engel
bekommen.
Bree hatte ein hervorragendes Gedächtnis. Als sie vorhin einen kurzen Blick auf Dents Arme und Hände geworfen hatte, hatte sie keinerlei Tätowierungen bemerkt, was aber nicht viel zu besagen hatte. Sie würde sich bei der Polizei von Chatham County erkundigen, ob man dort etwas über einen gewissen William Dent wusste, der Rechtsanwältinnen misstraute und Frauen als Weibsbilder bezeichnete.
So unangenehm und machohaft Dent auch sein mochte, fahren konnte er jedenfalls gut. Während der Fahrt ging Bree Justines neues Testament durch. Den größten Teil ihres Vermögens wollte sie einem New Yorker Heim für ehemalige Schauspieler vermachen. Die einzige namentlich im Testament erwähnte Person war Dixie Bulloch, die die Summe von einhundert Dollar erhalten sollte als Dank für ihre Hilfe bei meinen künstlerischen Bemühungen . Das für die Aufführung ihrer Vermögenswerte vorgesehene Zusatzblatt war leer. Als Testamentsvollstrecker waren Franklin Winston-Beaufort beziehungsweise seine Rechtsnachfolger angegeben.
Sie habe in Savannah keine Familienangehörigen mehr, hatte Dent gesagt, und bei der Crew von Bitter Tide gebe es niemanden, der ihr Freund sei – außer Dent selbst. Hatte Payton vorhin nicht irgendeine Bemerkung über Phillip Mercurys Einstellung zu Justine fallen lassen? Sie beugte sich vor. »Erzählen Sie mir mal was über die Sunward Productions, Dent. Warum sollte es dort eigentlich jemand auf Justine abgesehen haben?«
»Wenn Sie Hintergrundinformationen haben wollen, müssen Sie mit Mrs. Coville reden.«
»Ich rede aber mit Ihnen«, erwiderte Bree.
Entweder hatte Dent nicht die Absicht zu antworten, oder er ließ sich Zeit damit. Elegant bog er zum Highway 153 ab, eine einspurige, von Bäumen und Büschen gesäumte Schnellstraße, die den zu ihrer Linken verlaufenden Fluss dem Blick entzog. Hier in der Flussniederung schimmerten überall Teiche mit Brackwasser zwischen den Bäumen.
»Dent?«, fragte Bree in energischem Ton. »Wenn ich nicht weiß, was los ist, kann ich Justine auch nicht helfen. Als ich heute Vormittag mit ihr gesprochen habe, sagte sie, Phillip Mercury wisse ihre schauspielerischen Fähigkeiten sehr zu schätzen.«
»Mercury«, gab Dent angewidert zurück. »Dieses kleine Arschloch. Der würde seine Mutter anmalen und sie an die Araber verkaufen, wenn er sich was davon verspräche.«
EB kommentierte Dents Ausdrucksweise mit einem missbilligenden Laut.
Der Verkehr in beide Richtungen war nicht sonderlich stark. Dent verlangsamte das Tempo, als sie sich der Abzweigung zur Rattigan-Plantage näherten. Er bog nach links ab, bis er auf eine Schotterstraße gelangte, fuhr an die Seite und machte halt. »Okay«, sagte er barsch. »Ich werde Sie ins Bild setzen. Und dabei versuchen, Ihre Gefühle nicht zu verletzen, obwohl ich noch nie davon gehört habe, dass eine Rechtsanwältin in Hosen ein paar freimütige Äußerungen übel nimmt.« Er stieß ein Schnauben aus. »Folgendes sollten Sie wissen. Erstens: dass Sie es mit einer Horde von Kotzbrocken zu tun haben. Von denen niemand was taugt. Die alle auf sich selbst fixiert sind. Wie nennt man das noch mal? Egomanie. Mrs. Coville stellt da keine Ausnahme dar. Sie ist eine anspruchsvolle alte Schraube mit allerlei Allüren. Trotzdem ist sie noch die Beste von denen.«
Dent hielt also nicht viel von den Filmleuten, nicht einmal von der armen alten Dame, der er zu helfen versuchte. Was keine allzu große Überraschung war. Er schien von niemandem viel zu halten. »Meines Wissens versucht jemand, sie auf die eine oder andere Weise vom Set zu vertreiben«, warf Bree ein.
»Das tut jeder. Mercury, die Drehbuchautoren, selbst die anderen Schauspieler. Sie halten sie alle für einen Witz. Na ja, wahrscheinlich hat sie es mit den Schönheitsoperationen tatsächlich ein bisschen übertrieben.« Er warf einen Blick in Antonias Richtung. »Lippenstift trägt sie auch reichlich auf, ohne Frage. Aber sie ist nun mal ein Filmstar. Einer der ganz großen. Und ihr Darstellungsstil ist der grandiose Stil von früher, wissen Sie? So was passt überhaupt nicht zu dieser Art Film mit all den Nahaufnahmen, Zweier-Einstellungen und so weiter. Meiner Ansicht nach ist Hollywood ziemlich im Arsch.« Er fletschte die Zähne, was er offenbar für ein Lächeln hielt. »Entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, meine Damen.«
»Ich vermute, die anderen halten sie für eine Schmierenkomödiantin«, sagte Antonia. »Und wahrscheinlich denken sie
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