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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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bestimmte moralische Verpflichtungen habe, bedeuten, daß das tatsächlich der Fall ist? Die Antwort liegt auch hier in der krea
528 tiven Wechselwirkung zwischen der sehr allgemeinen Verantwortung, andere nicht zu schädigen, und den sie genauer auslegenden sozialen Praktiken. Manchmal scheinen diese Wechselwirkungen sehr direkt und klar zu sein. Kinder benötigen besondere Fürsorge. Wenn die Praktiken einer Gemeinschaft den Eltern des jeweiligen Kindes die Verantwortung für jene Fürsorge zusprechen, wird sie von keiner anderen Instanz bereitgestellt werden, und darum haben jene Eltern die Pflicht, entsprechend zu handeln. Obwohl andere Konventionen also ebenfalls denkbar wären – und tatsächlich zum Beispiel in manchen Kibbuzim auch zu finden sind –, erklärt der Gehalt der tatsächlich vorliegenden Konventionen die aus ihnen entstehenden Verpflichtungen.
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    In anderen Fällen wäre aber die Alternative dazu, bestimmten Menschen eine besondere Verantwortung zuzusprechen, nicht, daß diese anderen zufällt, sondern daß niemand sie hat. Eine Gemeinschaft, in der man Sexualpartnern, Kollegen, Freunden oder den eigenen Eltern im Alter gegenüber keine besondere Verantwortung hat, käme uns vielleicht erbärmlich vor, aber wir würden nicht erwarten, daß irgend jemand anders die mit jenen Beziehungen einhergehende besondere Verantwortung übernimmt. Diese von sozialen Konventionen anerkannten und geprägten Arten von Verantwortung leben davon, was jene Beziehungen wesentlich ausmacht, und können nicht darauf zurückgeführt werden, daß die entsprechende Verantwortung irgend jemandem zugesprochen werden mußte. Wir müssen also versuchen zu rechtfertigen, warum Konventionen eine solche Funktion haben können.
    Das ist meines Erachtens am ehesten möglich, wenn wir von einem kontinuierlichen feedback loop beziehungsweise einer Rückkopplungsschleife ausgehen, die die besondere Verantwortung, die wir den zu uns in bestimmten Relationen stehenden Menschen schulden, einfach weil sie in jenen Relationen zu uns stehen, mit unterschiedlichen sozialen Praktiken verbindet, mittels deren eventuelle Unsicherheiten bezüglich unserer
529 Verantwortung ausgeräumt oder reduziert werden. Das zweite Prinzip der Würde besagt, daß uns eine besondere Verantwortung für unser eigenes Leben zukommt, und darum ist es unter anderem nicht mit dem vereinbar, was ich im neunten Kapitel als Unterordnung beschrieben habe. In bestimmten Beziehungen räumen wir aber den Interessen oder Meinungen, der Autorität oder dem Wohlergehen anderer auf eine Weise Vorrang ein, daß man von Unterordnung sprechen müßte, wenn die besondere Berücksichtigung nicht reziprok wäre. Das kann je nach Art der Beziehung unterschiedlich aussehen, und es muß sich dabei nicht direkt um einen Austausch der gleichen Art handeln. Wenn aber nicht beide Parteien zu einem gewissen Grad eine besondere Verantwortung füreinander akzeptieren, verletzt das die Würde dessen, der nicht in privilegierter Weise berücksichtigt wird.
    Im politischen Leben bedeutet, sich der Autorität anderer zu beugen – etwa der des Souveräns, des Parlaments oder unserer Mitbürger –, zum Beispiel zu akzeptieren, daß wir selbst dann, wenn wir ihre Forderungen nicht für klug oder fair halten, eine gewisse Verpflichtung haben, ihnen zu entsprechen. Ich werde später in diesem Kapitel noch einmal gesondert auf diese Verpflichtung eingehen, die an einem Ende des Intimitätsspektrums verortet ist. Am anderen Ende sind sexuelle und romantische Beziehungen zu finden, da wir uns mit Körper und Geist ausliefern, wenn wir eine solche Bindung eingehen. Diese und andere Formen der Assoziation, die ich in diesem Kapitel noch ansprechen werde, sind ethisch gesehen ungemein wertvoll. Sie tragen sowohl zur Lebensqualität insgesamt wie auch zum Gelingen unserer Lebensführung bei. Ihre Nützlichkeit ist aber nicht davon zu trennen, daß sie ein gewisses Risiko bergen. Einerseits stellen sie uns spezifische Vorteile zur Verfügung, andererseits machen sie uns aber zugleich für eine bestimmte Art von Schaden anfällig. Zulassen, daß das, was mit bestimmten Menschen geschieht, einen erheblichen Einfluß auf meine Lebensqualität hat, bedeutet nicht, meine besondere Verantwor
530 tung für mein eigenes Leben zu leugnen oder auch nur einzuschränken, solange jene Verknüpfung meines eigenen Lebens und Schicksals mit dem Leben und Schicksal eines anderen dadurch aufgewogen wird, daß mir

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