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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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Ob wir über einen Beweis für den Fermat'schen Satz verfügen, ist eine in diesem Sinn interne Frage; ob heute prozentual gesehen mehr Schülerinnen und Schüler mathematische Analysis beigebracht bekommen als früher, ist hingegen eine externe Frage. In der Philosophie wird manchmal ein etwas anderes Vokabular verwendet, um diese Unterscheidung auszudrücken: Man differenziert dort zwischen substantiellen Fragen beziehungsweise Fragen erster Ordnung, die innerhalb eines Ideensystems angesiedelt sind, und Metafragen beziehungsweise Fragen zweiter Ordnung, die sich auf ein solches System beziehen. Die Behauptung, es sei unmoralisch, Babys zu foltern, wird als Aussage erster Ordnung betrachtet, während die Hypothese, daß dieser Behauptung fast jeder zustimmen würde, eine Aussage zweiter Ordnung ist.
    Der interne Skeptizismus hinsichtlich moralischer Urteile
61 ist eine substantielle moralische Position erster Ordnung. Abstraktere moralische Überlegungen werden herangezogen, um die Auffassung zurückzuweisen, daß bestimmte konkretere oder anwendungsbezogene Urteile wahr sind. Hingegen beansprucht der externe Skeptizismus, nur auf Aussagen zweiter Ordnung, also auf externen Aussagen über die Moral zu beruhen. Einige seiner Vertreter berufen sich auf soziale Tatsachen der von mir bereits angesprochenen Art und behaupten etwa, die historische und regionale Vielfalt moralischer Überzeugungen belege, daß keine dieser Überzeugungen objektiv wahr sein kann. Die raffiniertesten Versionen des externen Skeptizismus führen jedoch metaphysische Annahmen darüber ins Feld, was für Entitäten es in der Welt gibt. Diese Annahmen werden als externe Aussagen über die Moral und nicht als moralinterne Urteile betrachtet. Während der interne Skeptizismus demnach im Bereich der substantiellen Moral erster Ordnung lokalisiert ist, nehmen die Vertreter eines externen Skeptizismus der Metapher gemäß einen vermeintlich archimedischen Standpunkt außerhalb der Moral ein und beurteilen diese von dort aus. Der interne Skeptizismus hinsichtlich der Moral kann niemals total sein, da er zumindest eine sehr allgemeine moralische Aussage als wahr ansehen muß, um anderen, konkreteren Aussagen gegenüber skeptisch zu sein. Seine Vertreter müssen sich auf die Moral berufen, um die Moral in Frage stellen zu können, während die Befürworter des externen Skeptizismus eine radikalere und umfassendere Haltung einnehmen und beanspruchen, die Wahrheit moralischer Überzeugungen ohne Rückgriff auf die Moral selbst ablehnen zu können.
    Fehlerskeptizismus und Statusskeptizismus
    Innerhalb des externen Skeptizismus müssen wir eine weitere Unterscheidung treffen, und zwar zwischen Fehlerskeptizismus und Statusskeptizismus. Ersterem zufolge sind alle moralischen
62 Urteile falsch. Ein Vertreter dieser Sichtweise könnte die gewöhnliche Sichtweise zum Beispiel so verstehen, daß sie die Existenz moralischer Entitäten behauptet, also etwa daß es im Universum nicht nur Quarks, Mesonen und andere sehr kleine physikalische Teilchen gibt, sondern zudem bestimmte Partikel, die ich als Moronen bezeichnet habe, deren genaue Anordnung ausschlaggebend für die Wahrheit moralischer Aussagen ist – etwa dafür, daß man Babys nicht foltern sollte oder daß unnötige militärische Angriffskriege mit dem Ziel eines Regimewechsels unmoralisch sind. Weil die Vertreter des Fehlerskeptizismus behaupten, sich bei ihrer Kritik nicht einmal auf kontrafaktische moralische Urteile zu stützen, sondern nur auf die wertneutrale metaphysische Aussage, es gebe keine derartigen moralischen Teilchen, handelt es sich bei ihrem Ansatz nicht um einen internen, sondern um einen externen Skeptizismus.
    Statusskeptiker stimmen dem nicht zu und halten die gewöhnliche Sichtweise aus anderen Gründen für problematisch. In deren Rahmen werden moralische Urteile als Beschreibungen tatsächlicher Sachverhalte betrachtet, also als Aussagen über moralische Tatsachen, und genau diesen Status als Beschreibung von etwas wollen die Statusskeptiker ihnen nicht zuerkennen. Sie unterscheiden das Beschreiben von anderen Tätigkeiten wie etwa dem Husten, dem Ausdrücken von Gefühlen, dem Erteilen eines Befehls oder dem Eingehen einer Verpflichtung und sind der Meinung, man müsse das Kundtun einer moralischen Ansicht eher letzteren Aktivitäten zurechnen. Während die Anhänger des Fehlerskeptizismus die Moral als fehlgeleitetes Unterfangen ansehen, glauben die Vertreter des

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