Gerechtigkeit fuer Igel
Statusskeptizismus demnach, daß einfach falsch verstanden wird, worum es sich bei der Moral handelt.
Im Rahmen dieses Ansatzes wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts große theoretische Fortschritte gemacht. Die ersten Versuche waren eher grobgestrickt: So erklärt Alfred J. Ayer in seinem berühmten Buch Sprache, Wahrheit und Logik , bei moralischen Urteilen handle es sich schlicht um Vehikel zum
63 Ausdruck von Emotionen. Wenn wir behaupten, daß es falsch ist, Steuern zu hinterziehen, rufen wir damit im Grunde einfach: »Steuerhinterziehung, Buh!«
4 Mit der Zeit wurden aber komplexere Versionen des Statusskeptizismus ausgearbeitet. In seinem sehr einflußreichen Werk erklärt Richard Hare moralische Urteile als versteckte und verallgemeinerte Befehle.
5 »Betrügen ist falsch« muß demnach als »Betrüge nicht!« verstanden werden. Hare geht davon aus, daß in solchen Urteilen eine spezifische Art der Präferenz zum Ausdruck kommt, die ihrem Inhalt nach universell ist und daher jede entsprechend situierte Person betrifft, den jeweiligen Sprecher eingeschlossen. Diese Sichtweise ist aber immer noch dem Statusskeptizismus zuzurechnen, da eine solche Präferenzbekundung ebensowenig wahrheitsfähig ist, wie Ayers emotionale Ausbrüche es sind.
In dieser frühen Phase standen die Vertreter dieses Ansatzes explizit zu ihrem Skeptizismus. So erklärte Hare zum Beispiel, wenn ein Nazi seine rigiden Ansichten auch auf sich selbst anwenden würde, sollte sich herausstellen, daß er selbst jüdisch ist, sei ihm moralisch gesehen nichts vorzuwerfen. Im Laufe des letzten Jahrhunderts wurde das Bekenntnis zum externen Skeptizismus weniger eindeutig. So haben sich zum Beispiel Allan Gibbard und Simon Blackburn verschiedentlich als »Nonkognitivisten«, »Expressivisten«, »Projektivisten« und »Quasirealisten« bezeichnet, was eine starke Abgrenzung von der gewöhnlichen Sichtweise nahelegt. Gibbard zufolge kommt in moralischen Urteilen die Akzeptanz eines bestimmten Lebensplans zum Ausdruck, wobei diese nicht »als Überzeugungen mit einem bestimmten Inhalt«, sondern »vielleicht als Gefühle und Einstellungen oder auch universelle Präferenzen, als Zustand der Akzeptanz bestimmter Normen – oder als Planzustände« verstanden werden können.
6 Allerdings sind Blackburn und Gibbard beide bemüht zu zeigen, daß moralische Urteile auch in diesem expressivistischen Verständnis problemlos wahr oder falsch sein können und daß dieses Verständnis zudem auf andere und komplexere Weise die moralischen Überlegungen von
64 Vertretern der gewöhnlichen Sichtweise nachzubilden vermag. Dabei bestehen sie aber darauf, daß es sich beim Erheben dieser Wahrheitsansprüche trotzdem um eine Aktivität handelt, die vom Beschreiben von Sachverhalten unterschieden werden müsse.
Interner Skeptizismus
Weil der interne Skeptizismus sich auf die Wahrheit bestimmter substantieller moralischer Aussagen berufen muß, kann es sich bei ihm nur um einen partiellen Fehlerskeptizismus handeln. Ein interner Statusskeptizismus ist nicht möglich. Verschiedene Versionen des internen Skeptizismus unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Reichweite. In manchen Fällen bleibt er sogar auf bestimmte Einzelfragen beschränkt. So sind zum Beispiel viele Menschen der Ansicht, daß Entscheidungen erwachsener Partner über ihre Sexualpraktiken keine moralischen Probleme aufwerfen. Sie halten also jede moralische Bewertung konkreter Entscheidungen in diesem Bereich für falsch und rechtfertigen diesen begrenzten Skeptizismus, indem sie positive Auffassungen hinsichtlich der Eigenschaften vertreten, die eine Handlung richtig- oder falschmachen, und dann erklären, konsensueller Sex von Erwachsenen weise keine entsprechenden Merkmale auf, ungeachtet der Geschlechtszugehörigkeit der Beteiligten. Andere haben eine ähnliche Einstellung zur Rolle der Moral in der Außenpolitik und halten den Gedanken, die Handelspolitik eines Staates könne moralisch richtig oder falsch sein, für absurd. Selbst so verbreitete positive moralische Überzeugungen wie die, daß die Lateinamerika-Politik der Vereinigten Staaten oft ungerecht gewesen ist, werden von diesen Menschen abgelehnt, und zur Begründung führen sie allgemeinere moralische Positionen an wie die, daß die Regierung eines Landes stets nur im Interesse ihrer eigenen Bürger handeln sollte.
Andere Versionen des internen Skeptizismus richten sich auf
65 einen sehr viel größeren Bereich und manche könnte
Weitere Kostenlose Bücher