Gerechtigkeit fuer Igel
Inselbewohner bieten sie für vom Markt festgelegte Muschelpreise an und konkurrieren dabei miteinander. Die Ex-ante -Gleichheit ist auch am Ende der Versteigerung noch gegeben und wird auch im Rahmen zukünftiger Transaktionen erhalten. Was können wir aus dieser erweiterten Geschichte lernen? Sie zeigt, daß die folgende hypothetische Frage außerordentlich wichtig ist: Wie hoch würden sich die Menschen in unserer politischen Gemeinschaft gegen ein niedriges Einkommen oder gegen Pech versichern, wenn der Reichtum unserer Gemeinschaft gleich aufgeteilt wäre, wenn weder Käufer noch Anbieter Informationen darüber hätten, die ihnen erlauben würden einzuschätzen, wie hoch ein entsprechendes Risiko ist, und wenn abgesehen davon jeder hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit verschiedener Unglücksfälle sowie der Verfügbarkeit, der Kosten und des Werts medizinischer oder anderer entsprechender Abhilfen auf dem neuesten Stand wäre?
Uns stehen in diesem Zusammenhang ausreichend Informationen darüber, welche Versicherungspolicen tatsächlich angeboten und von den Menschen erworben werden, zur Verfügung, die wir verwenden können, um eine vorsichtige Antwort auf jene Frage zu geben, auch wenn natürlich ein großes Maß an Unsicherheit zurückbleibt. Welche Risiken wer genau unter jenen ausgefallenen kontrafaktischen Bedingungen abdecken wollen würde, die wir uns oben ausgemalt haben, können wir natürlich nicht sagen, aber darum muß es auch nicht unbedingt gehen. Wir können statt dessen auf der Grundlage unserer Informationen über die Bedürfnisse und Präferenzen der Bürger sowie darüber, was für eine Beitragsstruktur eine entsprechende Versicherung erfordern würde, festlegen, was die Obergrenze dessen wäre, was Menschen in unserer Gemein
611 schaft vernünftigerweise abgedeckt haben wollen würden. Obwohl wir selbst in bezug auf diese Frage nicht beanspruchen können, die richtige Antwort zu kennen, sind wir durchaus in der Lage, bestimmte Antworten als eindeutig zu niedrig angesetzt zu identifizieren. Wir können zum Beispiel sagen, daß es angesichts dessen, was wir über die Präferenzen der Mitglieder unserer Gemeinschaft wissen, unsinnig wäre anzunehmen, daß die meisten es ablehnen würden, sich gegen bestimmte Dinge zu versichern.
Auf dieser Grundlage können wir darauf bestehen, daß unsere Regierungsvertreter jene Untergrenze als Richtlinie für Umverteilungsprogramme verschiedenster Art verwenden. Zum Beispiel könnten wir uns zum Ziel setzen, von der Gemeinschaft über Steuerbeiträge einen Betrag einzusammeln, der dem entspricht, was es kosten würde, alle auf diesem Niveau zu versichern, und dann bei Bedarf Dienstleistungen, Güter oder finanzielle Mittel entsprechend der Summe, die eine solche Versicherung ausgezahlt hätte, verteilen. Man könnte so eine Arbeitslosigkeits- und Unterbeschäftigungsversicherung einrichten sowie Krankenversicherungen und Sozialversicherungen für Rentner. Dabei ist wichtig, daß die Gemeinschaft die von diesem System vorgeschriebenen Programme per definitionem bezahlen kann. Sie wären nicht auf dieselbe Weise irrational wie Kompensationen im Rahmen eines Ex-post -Ansatzes. Weil in den von diesem System vorgesehenen Programmen vernünftige Annahmen über die Präferenzen der ganzen Gemeinschaft bezüglich Risiken und Versicherungen zum Ausdruck kämen, würde eine Regierung, die sie nicht bereitstellt, ihrer wirtschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden.
612 Paternalismus?
Insgesamt geht es uns darum, ein System der Verteilungsgerechtigkeit zu entwerfen, das beiden Prinzipien der Würde gerecht wird. Man kann nun einwenden, daß das soeben vorgestellte Versicherungssystem gegen das zweite Prinzip verstößt, weil es verpflichtend ist. (Das ist einer von zwei Einwänden, die Arthur Ripstein in diesem Zusammenhang vorgebracht hat.
12 ) Mein System setzt voraus, daß die meisten Bürger eine Versicherungspolice gekauft hätten, deren Deckung mindestens so umfangreich gewesen wäre wie die stipulierte. Es ist aber durchaus möglich, daß manche Menschen das nicht getan hätten, und wenn nun die Steuern (oder die finanziellen Zuwendungen) auf jenem System beruhen, dann könnte man darin eine paternalistische Auferlegung einer vorgeblich vernünftigen Wahl sehen.
Dieser Punkt der Argumentation bedarf vielleicht der weiteren Erläuterung, die Formulierung des Einwands ist jedoch nicht überzeugend. Paternalismus bedeutet, anderen eine Entscheidung
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