Gerettet von deiner Liebe
ließ das Lorgnon sinken. „Aber mein Teuerster, wie könnte ein Mann mir Umstände machen, der mir das Leben gerettet hat?“
James versuchte es erneut. „Sir Percival, ich will Sie nicht in Verlegenheit bringen.“
„Das tun Sie nicht, Beau, keineswegs.“
„Ich wünschte, Sie würden mich nicht so nennen!“
Armer James, dachte Susannah und legte den Arm um die Schultern ihres Sohnes. „Noah, du warst sehr tapfer, Mr. Trevenen zu helfen.“
„Ich hatte ein bisschen Angst“, gestand er. „Auf einen so hohen Baum bin ich noch nie geklettert.
„Mr. Trevenen hatte gar keine Angst“,fügte er hinzu und reckte den Hals, um seiner Mutter ins Ohr zu flüstern. „Wieso weiß er immer, was zu tun ist?“
„Notgedrungen, denke ich“, flüsterte sie zurück. „Ich glaube, so ist es im Leben, mein Sohn – wenn wir keine andere Wahl haben, müssen wir mutig sein.“
Auf der Heimfahrt hatte nicht einmal Sir Percival Lust zur Konversation, verabschiedete sich allerdings überschwänglich mit dem Versprechen eines baldigen Wiedersehens.
Nachdem der Kutscher den Wagenschlag zugeklappt hatte, setzte James sich neben Susannah. „Tut mir leid“, murmelte er.
„Wenn Sie Katzen von Bäumen holen müssen, müssen Sie es eben tun, Mr. Trevenen.“
„Nicht mehr James?“, fragte er mit einem Seitenblick zu Noah. „Ich meinte eigentlich Lady Audley.“
Sie wollte ihn fragen, woher er die dreiste Person kannte, fürchtete allerdings, dass seine Antwort ihr entweder nicht gefallen würde oder gelogen wäre. Plötzlich wünschte sie, James Trevenen nie kennengelernt zu haben.
Andererseits war es ihm zu verdanken, dass die Tukane aus dem Haus verschwunden waren und ihre gehässige Schwester sich verändert hatte. Susannah versank in Grübeleien. Höflichkeitshalber müsste sie etwas zur Begegnung mit Lady Audley sagen, in welcher Beziehung er auch zu ihr stehen mochte, aber ihr fiel nichts Passendes ein.
Ich habe genug eigene Sorgen, dachte sie. Mr. Trevenen muss mit seinen Nöten allein fertig werden. Mit einem Seufzer lehnte sie sich in die Polster zurück.
Allmählich schien die Spannung von James abzufallen. Er legte die Hand an ihre Schulter und zog Susannah sanft zu sich. Statt sich vorzubeugen und ihn damit in seine Schranken zu weisen, ließ sie ihn gewähren.
Sie glaubte schon, er würde sie küssen, doch er flüsterte nur nah an ihrem Ohr: „Ich wünschte, Sie würden mich wenigstens James nennen.“
„Ich vergaß“,entschuldigte sie sich. „James“, fügte sie schließlich hinzu.
Zufrieden lehnte er sich ins Polster zurück, schloss die Augen und war innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen.
Da er schlief, rückte Susannah näher an ihn und genoss seine Wärme in der ersten Kühle dieses ungewöhnlich milden Herbstes.
Es waren fast sieben Jahre vergangen, seit ihr Ehemann sie zum letzten Mal geliebt hatte. Ihr Blick senkte sich auf James’ Schoß, und sie geriet in Verlegenheit. Er hatte seinen Gehrock eingebüßt, und seine Weste war nicht zugeknöpft.
Sie stellte sich vor, wie er nackt auf seiner Insel herumspaziert war, und überlegte, wie leicht ein unbekleideter Mensch sich an Dornengestrüpp und Schlingpflanzen verletzen konnte.
Du gehst entschieden zu weit, schalt sie sich, löste sich sanft aus seinem Arm und rückte von ihm ab. Ihr Atem hatte sich ein wenig beschleunigt, Hitze strömte in ihren Leib, ihre Brüste waren schwer geworden.
Sie versuchte sich abzulenken mit Gedanken an ihren verrückten Vater; an ihre verschwendungssüchtige Mutter; an ihre eigene Mittellosigkeit. Aber immer wieder kehrten ihre Gedanken zu James zurück.
Schließlich hielt die Kutsche in Spring Grove. Falls Susannah sich darüber Sorgen gemacht hatte, dass Loisa jammernd verlangte, nach vierundzwanzig Stunden ununterbrochener Krankenpflege nach Alderson House gebracht zu werden, hatte sie sich geirrt. Während James in Noahs Begleitung seine Zeichnung der Gloriosa, an der sein Herz zu hängen schien, aus dem Salon holte, begab Susannah sich nach oben und klopfte an der Tür zu Mr. Higgins Zimmer.
„Komm herein“, flüsterte Loisa. „Er ist gerade wieder eingeschlafen.“ Sie nahm ihre Schwester bei der Hand und zog sie mit sich, ohne deren Hand loszulassen.
„Wie geht es ihm?“, fragte Susannah.
Loisa kehrte ans Krankenbett zurück. „Er hat noch Schweißausbrüche und Schüttelfrost, aber ich glaube, es geht ihm etwas besser. Gelegentlich spricht er sogar ein paar Worte.“
Susannah
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