Gerettet von deiner Liebe
noch mehr. „Die Zofe meinte, er habe etwas über die Tukane gesagt, ehe er das Zimmer meiner Mutter betrat, worauf sie das Dinner um eine halbe Stunde verschob. Sir, ich glaube, Sie schulden mir eine Erklärung.“
„Nicht in einer Million Jahren“, antwortete er und neigte sich ihr zu, bis seine Lippen ihr Ohr berührten. „Oder bis wir Noah in Spring Grove abgesetzt haben.“
Susannah zupfte an der gebauschten Schleife herum und versuchte, James’ warmen Atem an ihrer Wange zu ignorieren. „Heben Sie das Kinn“, befahl sie.
Er gehorchte wieder und drehte den Kopf zur Seite, wodurch sich ihr die Gelegenheit bot, sein markantes Profil zu bewundern, und sie fragte sich, wieso sie ihn je für einen durchschnittlich aussehenden Mann gehalten hatte.
„Und nun senken Sie das Kinn zur Brust.“
Wortlos gehorchte er. Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk. „Ausgezeichnet, James. Sollte ich einmal keine Lust mehr haben, exotische Fauna und Flora zu malen, verkleide ich mich als Mann und suche mir eine Stellung als Kammerdiener.“
„Nicht einmal ein Blinder könnte Sie mit einem Mann verwechseln, auch nicht in Männerkleidern oder bei Nacht“, erklärte er und griff nach seinem Frack. „Deine Mutter hat manchmal seltsame Vorstellungen“, sagte er, an Noah gewandt.
„Ich hab sie trotzdem gern“, antwortete der Junge.
James knöpfte die Weste zu. „Ich auch.“ Er schlüpfte in die Ärmel des Gehrocks, hob und senkte die Schultern und nestelte an den Aufschlägen.
„Zappelphilipp!“, schalt Susannah.
Er stand stramm. Eine elegante Erscheinung, die nichts gemein hatte mit dem Nervenbündel, das von Schreckgespenstern nachts aus dem Bett gejagt wurde und schlotternd vor Angst unter dem offenen Fenster kauerte. Armer Mann, dachte sie, wie sehr muss dir vor jeder Nacht grauen.
„Nun sollten Sie auch noch Schuhe anziehen“, riet sie ihm. „Ohne Schuhe wird man Sie in Lord Batchleys Haus kaum empfangen.“
„Spielverderberin“, brummte er, und Noah kicherte.
„Und freundlicherweise setzen Sie auch einen Hut auf.“
Er legte die flache Hand seitlich an die Stirn in einem zackigen Gruß, wie alle Offiziere zu grüßen pflegten. „Aye, Madam, aye.“ Dann warf er Noah einen Blick zu. „Schlägt sie bei dir auch diesen Befehlston an, mein Junge? Ein Wunder, dass du nicht schon weggelaufen bist.“
„An so etwas habe ich noch nie gedacht“, entgegnete Noah verdutzt.
„Setzen Sie ihm keine Flausen ins Ohr“, tadelte Susannah.
Auf der kurzen Fahrt in der Karosse mit dem goldenen Wappen auf dem Wagenschlag war Susannah einsilbig. Nur Noah plapperte munter drauflos und erzählte, was er heute alles für Tante Loisa getan hatte, und Susannah fiel auf, wie redselig er in letzter Zeit geworden war. Vor Mr. Trevenens Ankunft war Noah ein stilles, in sich gekehrtes Kind gewesen, hatte sich leise durchs Haus bewegt, um möglichst nicht aufzufallen. Still vergnügt lauschte sie der Unterhaltung zwischen James und ihrem Sohn. Er wäre ein guter Vater und sollte in Cornwall bald eine gute Ehefrau finden.
In Spring Grove angekommen, sprang Noah aus der Kutsche, und Susannah wandte sich an James. „Ich möchte meiner Schwester das Kleid zeigen.“
„Ich begleite Sie“, sagte er mit einem trägen Lächeln, das so fabelhaft zur selbstbewussten Ausstrahlung von Beau Crusoe passte. „Ich will ihre Meinung über das Kleid hören.“
Susannah entsann sich nicht, dass in den letzten Jahren ein Mann mit ihr geflirtet hatte, abgesehen von Sir Walter Cavanaughs plumpen Annäherungsversuchen. „Zu gütig“, murmelte sie.
„Nein, nur ehrlich“, antwortete er und seufzte. „Zu dumm, ich bin wohl der letzte Mann in London, dessen Worten Sie Glauben schenken.“
„Der allerletzte“, versicherte sie mit Nachdruck.
Mr. Higgins saß im Bett, ein Bild des Wohlergehens. Irgendwie hatte Neptun sich Zutritt zum Krankenzimmer verschafft – möglicherweise durch Intervention eines kleinen Jungen – und lag behäbig ausgestreckt vor dem Kamin. Noah setzte sich zu ihm auf den Teppich und nahm ein Kaleidoskop zur Hand. Loisa saß neben dem Bett, mit ihrer Schiffchenspitze beschäftigt.
Susannah verharrte auf der Schwelle, freute sich über die Familienidylle und dankte im Stillen Mr. Trevenen – oder Beau Crusoe? – für die wundersame Verwandlung.
Loisa hob den Kopf, blinzelte, stand auf und umkreiste ihre Schwester mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
„Loie, bitte nicht“, sagte
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