Gerettet von deiner Liebe
Susannah. „Ich weiß, es schickt sich nicht für eine Witwe, so viel nackte Haut zu zeigen.“
Ihre Schwester zuckte mit den Achseln. „Kannst du dir vorstellen, wie grässlich dieses Kleid an mir aussehen würde mit meinem flachen Busen und meinem roten Gesicht? Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, als ich es mir von Mama aufschwatzen ließ? Ach, einerlei. Lord Batchley werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn er dich sieht.“ Sie warf James einen Blick zu, der sich gerade über Sam beugte. „Du meine Güte, Susannah, er sieht ja ganz passabel aus, wenn ein Schneider sich um ihn kümmert.“
„Er sieht fabelhaft aus, nicht wahr?“, flüsterte Susannah und fragte sich, ob er diese Nacht wieder von Angstträumen gequält werden würde. „Loie, hast du Sir Joseph gesehen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er hat sich in sein Zimmer zurückgezogen, obwohl der Arzt heute nicht bei ihm war. Willst du mit ihm sprechen? Klopf doch einfach an seine Tür.“
Susannah nickte, legte den Finger an den Mund und ging. Sie eilte den Flur entlang und klopfte an die Tür.
„Herein.“
Vorsichtig öffnete sie die Tür und erwartete, das Zimmer verdunkelt vorzufinden, aber es war hell erleuchtet.
„Ich habe nicht viel von dir gesehen in letzter Zeit, mein Kind“, empfing Sir Joseph sie. Er lag bequem auf einer Liege vor dem Kamin, seine geschwollenen Beine unter einem Metallgestell, über das die Decke gebreitet war.
Susannah setzte sich auf einen Schemel. „Sir Joe, ich habe so viele Fragen, und Mr. Trevenen weicht all meinen Fragen aus! Was soll ich nur tun?“
„Was solltest du denn für ihn tun wollen?“, fragte Sir Joseph mit weicher Stimme. „In weniger als zwei Wochen bist du deiner Pflichten enthoben.“ Er musterte sie prüfend. „Habe ich recht?“
„Nun ja“, wandte sie ein. „Ich weiß nicht …“
Ihr Patenonkel blickte über sie hinweg zur offenen Tür. „Mr. Trevenen, suchen Sie etwas?“
Sie drehte sich um und begegnete James’ Blick. „Ja, ich suche Mrs. Park. Wenn ich Eindruck machen will, sollte ich in ihrer Begleitung zu gesellschaftlichen Anlässen erscheinen, um von meinen Unzulänglichkeiten abzulenken. Sieht sie nicht entzückend aus?“
„Wahrhaftig“, antwortete Sir Joseph. „Wie immer.“
„Kommen Sie, Mrs. Park.“ James verneigte sich und streckte ihr die Hand entgegen. „Wir wollen uns unter die feinen Leute mischen und sehen, welches Unheil wir anrichten können.“
Susannah lachte hell. „Dazu brauchen Sie mich keineswegs!“ Dann nickte sie ihm zu. „Ich bin in wenigen Minuten bei Ihnen.“
Er verneigte sich wieder und ging. Sie wartete, bis seine Schritte im Flur verklungen waren, bevor sie sich wieder an ihren Patenonkel wandte. „Sir Joseph, ich mache mir große Sorgen um Mr. Trevenen. Er leidet furchtbare Seelenqualen, die ich nicht verstehe.“
Der ältere Mann reagierte keineswegs verblüfft, nickte nur und blickte in die tanzenden Flammen im Kamin. „Besuche mich morgen allein. Vielleicht können wir gemeinsam das Rätsel um Beau Crusoe lösen.“
„Und wenn nicht?“
„Dann ist es ein tragischer Verlust für die Wissenschaft, mein Kind.“ Eindringlich sah er sie an. „Und vielleicht ein noch größerer Verlust für dich.“
20. KAPITEL
Auf der Fahrt zu Lord Batchleys Stadthaus fühlte James sich unbehaglich. Eigentlich hätte er Susannahs Gesellschaft genießen müssen, aber er spürte eine seltsame Spannung in ihr.
„Mrs. Park, was sollte ich über Lord Batchley wissen? Ist er ein Mitglied der Royal Society?“, fragte er in dem Versuch, sie aufzuheitern.
„Ja, er ist ein angesehener Mann. Sir Joe erzählte mir, dass er mehrere Expeditionsreisen finanziert hat: eine Schiffsreise nach Madagaskar, um Lemuren zu studieren, und eine zweite zu den Inseln Mittelamerikas, aber ich entsinne mich nicht, in wessen Auftrag.“
„Um die Folgen des Rumtrinkens zu erforschen?“, scherzte er. „Da kommt er zu spät, denn die sind bereits bekannt.“
Sie nickte nur.
„Susannah, würden Sie Beau Crusoe raten, Lord Batchley an die Lebensrettung seines Katers Vixen zu erinnern und ihn zu bitten, ein Expeditionsschiff auszurüsten als Belohnung für seine Heldentat?“
„In den letzten Tagen sind seltsamere Dinge geschehen, Sir.“
Das ist richtig, dachte er, und sie weiß nicht einmal die Hälfte davon. Versonnen richtete er den Blick aus dem Wagenfenster auf die Stadt, über die sich die Nacht senkte, und wusste, dass er
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