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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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Werkzeug, nichts, um zu graben. Sie kniete sich auf den Boden und grub mit den Händen, kratzte die Erde weg; Warpgeschwindigkeit. Aber nach einer Weile begann ihr verwirrter Verstand sich zu klären, der zuvor in solcher Panik gewesen war zu beweisen, dass sie sich geirrt hatte, ein Muster zu finden, mit dem sie leben konnte. Das Graben trat in den Vordergrund; sie dachte nur ans Graben, wurde zu einem Schaufelautomaten, nahm nichts anderes mehr wahr als dieses Loch im Boden, seine Konturen, die feuchte Beschaffenheit, Textur, Farbe, Einbruchgefahr. Das Loch wurde breiter und tiefer, erreichte einen Durchmesser von ungefähr ein Meter fünfzig und eine Tiefe von circa einem Meter, Ivy mittendrin. Sie kauerte sich hin, beugte sich unbeholfen vor, schaufelte zwei Handvoll heraus, kratzte mehr zusammen. Ihre Finger berührten etwas, das sich nicht wie Erde anfühlte, etwas Hartes.
    Ivy fiel auf die Knie und fegte die Erde in diesem tieferen Teil des Lochs beiseite. Eine menschliche Hand erschien – eine linke Hand. Haut und Fleisch existierten nicht mehr, nur noch Fetzen einer fauligen grauen Masse. Doch die Nägel waren noch immer lackiert, in einem gedämpften Rot, und zwischen den Gelenken des Ringfingers klemmte der goldene Ring.
    Mehr musste sie nicht sehen, nicht wissen. Ivy erhob sich langsam und schwankend. Harrow war unschuldig an dem Überfall auf das Gold Dust, genau wie sie geglaubt hatte. Hier lag sein Alibi, oh, so unbrauchbar. Alles fiel an die richtigen Stellen, das Muster schloss sich. Sie kletterte aus dem Loch und erbrach sich. Tränen strömten aus ihren Augen, aber das passierte manchmal, wenn man sich erbrach. Sie hatte sich vollkommen getäuscht. Und jetzt? Wie konnte das in Ordnung gebracht werden?
    Ivy holte tief Luft, wandte sich zur Treppe.
    Dort saß Harrow, auf halbem Weg, die Schrotflinte im Schoß. Eine Sekunde lang hielt sie ihn für eine Erscheinung. Aber es gab zu viele Details, zum Beispiel wie bleich er war und wie die Knochen in seinem Gesicht hervortraten und seine noch feuchte Kleidung. Er war gut genug, um solche Dinge einfach zu erfinden, aber sie nicht. Seine Füße waren nackt, ergänzten die Story einer langen Schwimmstrecke – in einem anderen Kontext heroisch – in kaltem Wasser.
    »Das ändert nichts daran, wie sehr ich sie geliebt habe«, bemerkte Harrow. »In gewisser Weise ist es sogar der Beweis.«
    »Ich will nichts davon hören«, rief Ivy. »Hast du Jean auch umgebracht?«
    »Wer ist das?«, fragte Harrow.
    »Die alte Dame, der die Hütten gehören.«
    »Natürlich nicht«, antwortete Harrow. »Ich habe mir ihren Wagen geliehen, das ist alles. Und sie behutsam gefesselt. Ihr geht’s gut.«
    »Und dem Hund?«
    »Dem nicht so.«
    Ivy wurde fast wieder schlecht. Er beobachtete sie.
    »Als ich Mandrell fand«, sagte sie, »da musstest du raus.«
    »Ich konnte nicht widerstehen«, gab Harrow zu.
    »Du hättest deine verdammte Zeit absitzen und dich dabei glücklich schätzen sollen«, sagte Ivy.
    »Genau das habe ich getan, bis du des Wegs gekommen bist«, antwortete Harrow.
    Sie erbrach sich wieder. Er behielt sie im Auge.
    »So«, sagte er. »Und was jetzt?«
    Ivy wischte sich den Mund. »Ich verschwinde.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie wir gemeinsam verschwinden«, erwiderte Harrow. »Aber nicht du allein.«
    »Zusammen verschwinden kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Ivy.
    Er musterte sie von Kopf bis Fuß. »Ich dachte, wir hätten eine Beziehung«, sagte er.
    »Die war nicht echt.«
    »Das redest du dir jetzt ein«, sagte Harrow.
    »Nein«, erwiderte Ivy. »Sie war nicht echt. Du hast mir etwas vorgemacht. Und in das habe ich mich verliebt.«
    »Jetzt wirst du zu kompliziert«, meinte Harrow. »Du weißt, was wir gemeinsam fertigbringen, du und ich. Denk mal, wie das in Zukunft werden könnte.«
    »In Zukunft?«, wiederholte Ivy.
    »Sicher«, sagte er. »Bis jetzt ist nichts Schlimmes passiert. Wir müssen nur schnell sein, das ist alles.«
    Bis jetzt ist nichts Schlimmes passiert?
    Ivy schüttelte den Kopf. »Zwischen uns ist nichts geblieben.«
    »Glaubst du nicht an mich?«, fragte er.
    »An dich glauben?« Sie hätte ihm fast ins Gesicht gelacht.
    »An mein Talent«, sagte er.
    Sein Talent? Was hatte das damit zu tun? »Darin habe ich mich ebenfalls geirrt«, sagte sie.
    Harrow lief rot an. Er stand auf und kam die Treppe herunter.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe mich in deinem Talent geirrt«, wiederholte Ivy. »Es ist nichts Besonderes.«
    »Ich

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