Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
mit der Entführung was zu tun hat…«
    »An welchem Tag war das?«, fragte Süden.
    »Das weiß ich nicht mehr. Warten Sie… ich war vorher beim Tierarzt… Moment!« Sie stand auf, ging zum Schreibtisch, begleitet von ihrem Hund, blätterte in einem Heft, das mit Blindenschrift voll geschrieben war, und wandte sich zu den beiden Männern um. »Das war am 26. Juli. Helga Ries… Ich kenn sie gar nicht, hab sie nie getroffen, Netty und sie gehen öfter mal gemeinsam aus. Sie arbeitet bei der Deutschen Bank in Pasing.«
    In der Filiale nahm niemand ab. Daraufhin ließ sich Süden am Telefon von einem Kollegen im Dezernat Helgas Adresse heraussuchen und rief dort an.
    »Hallo?«
    »Tabor Süden, Kripo München, Vermisstenstelle.«
    »Ja?«
    »Frau Helga Ries?«
    »Ja?«
    »Wir ermitteln im Entführungsfall Natalia Horn, Ihrer Bekannten. Am 26. Juli hatten Sie einen Streit mit Frau Horn, wissen Sie noch, worum es ging?«
    »Bitte?«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
    »Frau Ries, bitte erinnern Sie sich…«
    »Keine Ahnung. Woher weiß ich, dass Sie wirklich Polizist sind?«
    »Ich möchte mit Ihnen persönlich sprechen, ich würde gern vorbeikommen…«
    »Das geht schlecht, ich hab grad Mittagspause, ich bin sehr müde, erkältet auch…«
    »Es geht um Ihre entführte Bekannte, Frau Ries. Erinnern Sie sich an den Streit?«
    »Ja…«, sagte sie gedehnt. Dann schwieg sie wieder.
    »Nein, doch nicht, ich erinnere mich nicht mehr. Moment mal…«
    Ines stellte sich neben Süden und flüsterte ihm zu: »Ich bin ziemlich sicher, es ging um einen Kunden, den ihr Helga vermittelt hat.«
    »Frau Ries?«
    Nach einer Weile meldete sie sich wieder. »Ja, also, es tut mir Leid, ich erinnere mich wirklich nicht. Ich hab in letzter Zeit wenig Kontakt mit Natalia gehabt…«
    »Haben Sie öfter Bekannte an Natalia vermittelt?«
    »Was? Nein, selten, manchmal, sie war… sie ist drauf angewiesen, sie war immer froh, wenn ich ihr jemand vorbeigeschickt hab…«
    »Also haben Sie ihr doch öfter neue Kunden vermittelt. Auch Männer?«
    »Was? Nein, Frauen natürlich, natürlich Frauen… Äh… Wann, wann wollen Sie zu mir kommen?«
    »So schnell wie möglich.«
    »Ja, von mir aus. Haben Sie schon eine Spur? Ich meine, weiß man schon, wer dahinter steckt, hinter dieser Aktion D?«
    Süden ging nicht auf die Frage ein und legte auf.
    »Wieso lügt sie?«, sagte er. Nolte zuckte mit den Achseln. Ines drückte den Hund an ihre Beine und er knurrte melancholisch vor sich hin.
    Süden war davon überzeugt, auf eine Fährte gestoßen zu sein. Und eine Frau, die im Zusammenhang mit der Entführung einer guten Bekannten log, war mehr als eine Fährte, sie war eine Tür im Dunkel, die sich einen Spalt breit öffnete, und Süden wusste, er hatte keine Zeit zu verlieren, bevor diese Tür wieder zufiel und unsichtbar wurde.

3   16. August, 13.44 Uhr
    O bwohl die beiden Beamten mehrmals mit Nachdruck erklärt hatten, sie wollte nicht Platz nehmen, forderte sie sie erneut dazu auf.
    »Ich stehe«, sagte Süden.
    »Dann trinken Sie wenigstens einen Kaffee«, sagte Helga Ries zum vierten oder fünften Mal. »Bitte.« Sie hielt den beiden einen Teller mit drei schmal geschnittenen Stücken Marmorkuchen hin. »Ich hab noch was draußen, nehmen Sie ruhig!«
    Oberkommissar Nolte erinnerte diese Frau an seine Mutter, und auch, wie es hier roch, nach gewaschenen Gardinen, polierten Schränken, Parfüm und einem vermutlich mückenkillenden Spray, versetzte ihn in eine Stimmung, die ihn nervte. Alles, woran er plötzlich denken musste, waren endlose Putzorgien in den Ferien, wenn er seiner Mutter beim Abreiben der Türrahmen und beim akkuraten Ausfegen der Zwischenräume der gerippten Heizkörper unter den Fenstern half, wenn sie beide, schwitzend und schweigend, das Unkraut aus den Ritzen der Steinterrasse zupften und diese dann mit Schaufel und Besen so lange sauber machten, bis kein Halm und kein Erdkrümel mehr zu sehen waren. So als würden sie vom Boden essen wollen, ohne Teller und Unterlagen. Das Einzige, was Florian Nolte bei dieser Arbeit Spaß gemacht hatte, war das Vergiften der Ameisen gewesen. Aus einer blauen Dose verteilte seine Mutter weißes Pulver entlang der Mauer und wenn sie angekrabbelt kamen, verreckten sie auf der Stelle. Zwei Stunden später durfte er alles wegkehren und in den Müll schütten. Nur dieser Höhepunkt am Ende des trostlosen Tuns veranlasste ihn, seiner Mutter zu gehorchen und ihr nicht ins Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher