German Angst
Wohnung.
Süden schaltete den Rekorder aus. »Warum verschweigen Sie den Namen des Mannes?«
Helga Ries wich seinem Blick aus, dann ging sie zum Fernseher, auf dem eine Packung Zigaretten lag, und zündete sich eine an.
»Ich hab ihn vergessen, es war irgendein Kunde aus unserer Bank«, sagte sie und inhalierte tief.
»Denken Sie nach!«, sagte Süden. »Wir überprüfen jeden, jeden Namen in Natalia Horns Adressbuch, jeden Nachbarn, jeden Freund und Bekannten. Wir haben noch keine Ahnung, wer hinter der Entführung steckt, und wir haben nicht viel Zeit. Je länger Sie schweigen, desto verdächtiger wird Ihr Schweigen.«
»Wieso verdächtig?«, sagte sie laut. »Ich hab nichts getan. Ich hab ihr öfter Leute vermittelt, ja, manchmal direkt aus einem Kundengespräch heraus, dann hab ich die Nummer ihres Studios weitergegeben und sie war mir immer dankbar. Wollen Sie mir daraus einen Strick drehen?«
»Ja.«
Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. »Aber… wieso…«
»Sie lügen mich an.«
Helga Ries zog an der Zigarette und blies den Rauch durch die Nase. »Nein«, sagte sie.
»Dann werden wir Sie doch mitnehmen müssen.«
»Mit welchem Recht?«
»Aussageverweigerung.«
»Ich verweigere die Aussage nicht, das hören Sie doch. Ich rede mit Ihnen, ich beantworte Ihre Fragen.«
Süden schaltete den Rekorder wieder ein und hielt ihn ihr vor den Mund.
»Wiederholen Sie Ihre Aussage, dass Sie sich an den Namen des Mannes, den Sie zuletzt an Natalia Horn vermittelt haben, nicht mehr erinnern.«
»Ich erinnere mich nicht«, sagte sie und drückte die Zigarette in einem Aschenbecher aus, der die Form und Farbe einer Muschel hatte. Es klingelte an der Tür.
»Mein Kollege«, sagte Süden. Helga öffnete.
»Du?«, sagte sie erschrocken.
»Ich hatte in der Nähe zu tun…«
»Ich hab dir gesagt, du sollst nicht unangemeldet kommen!«, stieß sie gepresst hervor.
»Ich komm, wann ich will.«
»Guten Tag«, sagte Süden, der in den Flur trat. Helga brachte kein Wort heraus.
»Tag«, sagte der Mann, der einen braunen Anzug trug und einen kleinen Aluminiumkoffer bei sich hatte.
»Tabor Süden, Kriminalpolizei.«
»Josef Rossi.«
Süden kannte den Mann nicht. Aber Helga Ries’ beinah panische Verwirrung genügte ihm, um seine Vernehmung sofort weiterzuführen.
»Sie kennen Natalia Horn?«, fragte er, während er den beiden ins Wohnzimmer vorausging. Helga zupfte Rossi am Sakko. Rossi stellte den Koffer ab und beachtete sie nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Kommissar. Süden ließ ihn ebenfalls nicht aus den Augen. Einige Sekunden passierte nichts. Süden sah die roten Flecken unter Rossis Nase und den abgetragenen Anzug. Könnte ein ewig erkälteter Vertreter sein, dachte er und zweifelte im nächsten Moment daran. Den Namen eines Vertreters hätte Helga vermutlich nicht so hartnäckig verschwiegen. Falls es sich bei diesem Mann überhaupt um den Unbekannten handelte.
»Ja«, sagte Rossi, »Frau Ries hat sie mir empfohlen und ich bin auch hingegangen. Ich wollte mich informieren, und am Anfang haben wir uns auch gut verstanden, doch dann bekamen wir Streit. Ich weiß nicht mehr, womit es anfing, eine Kleinigkeit, wir kannten uns ja nicht, vielleicht war sie schlecht gelaunt an dem Tag, kann schon sein, wir sind jedenfalls ziemlich erbost auseinander gegangen. Es war einfach so, ich wollte mich nur informieren und Frau Horn dachte, ich käme zu einer Behandlung, wahrscheinlich hab ich ihr die Zeit für einen Kunden weggenommen, das wollte ich nicht. Sie kam mir auch sehr angespannt vor. Es ist tragisch, was mit ihr passiert ist. Wissen Sie schon etwas?«
»Waren Sie danach noch einmal bei Frau Horn?«, fragte Süden.
»Ich hab es mir überlegt, aber ich hatte keine Zeit. Ich bin Verkäufer in einem Möbelhaus, sechs Tage, acht Stunden am Tag, manchmal rinnt mir die Zeit nur so durch die Finger.«
»Wie lange kennen Sie Frau Ries schon?«
Rossi sah sie an. In ihrem Gesicht spiegelten sich ihre inneren Kämpfe, dazu verzog sie ihre blassrot geschminkten Lippen zu einem gequälten Lächeln.
»Ein… ein Jahr… eineinhalb…«, sagte sie unsicher.
»Ungefähr«, sagte Rossi. »Was wollten Sie von Frau Ries?«
»Ihren Namen«, sagte Süden, »Ihren, Herr Rossi.«
»Und?«
»Sie wollte ihn nicht nennen.«
»Warum denn nicht?«, sagte er zu ihr und sie schaute weg. Daraufhin schwiegen alle drei wieder. Süden schaltete den Rekorder aus, steckte ihn ein und zog einen Block und einen
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