German Angst
ist ja nur ein Kopftuch, nichts Besonderes, und ich respektier das, wenn jemand in der Kirche ist.« Sie lächelte, und er bemerkte ihre weißen, gleichmäßigen Zähne. »Ich bin ausgetreten, ich zahl mich ja kaputt an der Kirchensteuer. Aber die Nuriye ist da streng, die betet auch in der Mittagspause. Wir hätten ja oben auch Teppiche…« Sie verkniff sich ein Kichern.
»Entschuldigen Sie…«
»Und Ihr Chef erlaubt, dass die Frau so rumläuft?«
»Herr Zischler ist nett, er hat da nichts dagegen. Wissen Sie…«
Sie faltete ein T-Shirt zusammen, das neben der Kasse lag, und fing an Pullover zu sortieren und neu zu stapeln. Dabei blickte sie flink zu ihrer Kollegin hinüber, die noch immer den jungen Mann bediente. Offenbar konnte er sich für kein Hemd entscheiden, sie hielt ihm mehrere hin und er schüttelte jedes Mal den Kopf. »Sie war vorher in einem anderen unserer Häuser, aber das hat nicht geklappt, die Leute haben sich beschwert. Und der Geschäftsführer musste sie rausschmeißen. Die Kolleginnen sind da auch schwierig. Mir macht das nichts aus, ich finde Nuriye nett, sie bringt mir manchmal Plätzchen mit, die backt ihre Mutter, sehr süß, sehr ungesund, aber die schmecken.«
Sie leckte sich die Lippen, schüttelte einen gelben Wollpullover aus, legte ihn zusammen und verstaute ihn im Stapel.
»Mir wärs lieber, Sie würden mich bedienen«, sagte Scholze.
»Für die Hemden ist Nuriye zuständig, ich muss hier auch noch die Kasse machen.«
»Dann lass ich das mit den Hemden.«
»Sie ist nett«, sagte die Verkäuferin.
Langsam empfand sie den Mann als aufdringlich, wieso versperrte er ihr ständig den Weg und wanzte sich an sie ran? Außerdem roch er nach Schweiß, und das konnte sie nicht ertragen. Geh dich erst mal duschen, bevor du uns hier einnebelst!
»Ja«, sagte sie, »wie Sie möchten.« Sie ließ ihn einfach stehen und ging zu einer Kollegin, die mit dem Auspacken von Kartons beschäftigt war. Scholze sah auf die Uhr. Das Giesinger Duo dürfte inzwischen im Einsatz sein, den Weg hatte er ihnen genau erklärt, er hatte ihn persönlich ausgekundschaftet, sie brauchten nichts weiter zu tun, als seinen Anweisungen zu folgen. Und die Mützen durften sie nicht vergessen, das war entscheidend, niemand durfte ihre Gesichter sehen. Noch nicht, dachte Scholze. Eines Tages, vielleicht schon bald, würden sie sich nicht mehr verstecken müssen, dann wäre es eine Ehre erkannt zu werden, denn den Menschen wäre klar, was die Aktion D für sie leistete und wie viel sie ihr verdankten; dann würde sich auch der Heffner Gustl nicht mehr in die Hosen machen, sondern wäre stolz auf seine Mitgliedschaft. Die Leute, die bei ihm ihre Semmeln kauften, würden ihm bei der nächsten Wahl ihre Stimme geben. Viele bei uns haben noch zu viel Schiss, dachte Scholze, während er vor der Kasse stand und darauf wartete, dass die Verkäuferin, mit der er sich unterhalten hatte, zurückkam.
»Wollen Sie kein Geschäft mit mir machen?«, fragte er sie schroff.
»Ich dachte, Sie wollten erst noch bei den Hemden schauen.«
»Ich hab doch gesagt, dass ich mich von einer Türkin mit Kopftuch nicht bedienen lasse.«
»Wie Sie möchten.«
Sie gab ihm das Wechselgeld und steckte die Schachtel mit den zwei weißen Unterhosen in eine kleine Plastiktüte.
»Ich find es erstaunlich, dass Ihr Chef das erlaubt«, sagte Scholze.
»Er ist in Ordnung.« Es war nicht zu übersehen, dass sie keine Minute länger mit diesem Mann im grauen Blouson reden wollte. Sie zupfte sich an der Nase, strich mit dem Handrücken drüber, schniefte und drehte sich um. Scholze betrachtete sie ein paar Sekunden, die grüne Bluse mit dem Stehkragen, ihr kurz geschnittenes Haar im Nacken, dann steckte er die Tüte mit der Schachtel in die Jackentasche.
»Auf Wiedersehen!«
Er bekam keine Antwort. Er schlenderte zur Hemdenabteilung. Die Frau mit dem Kopftuch schien an der Unentschlossenheit des jungen Mannes zu verzweifeln. Gut so, dachte Scholze, sehr gut, Franz!
Drei Stockwerke über ihnen kniete ein Mann auf dem Boden seines Büros und weinte gegen seinen Willen.
»Und warum?«, fragte der maskierte Mann, dessen Schlagring den anderen schon dreimal im Gesicht getroffen hatte. Wenn Ronny Schmid zuschlug, dann flossen Tränen, das war schon in der Schule so und das war er sich inzwischen schuldig. Hammer-Schmid nannten ihn seine Fans und das war genau das richtige Wort, wie er fand. Manchmal war er selbst erstaunt, woher die Wucht in seinem
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