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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Aufnahmegerät.
    »Sie geht mit Männern mit.« Ute machte eine Pause.
    »Ich will nur sagen, nicht dass Sie denken, ich häng hier meine Kinder hin, die regelmäßig herkommen, ich verpfeif die nicht bei der ersten Gelegenheit, obwohl ich manchmal mitkrieg, dass da was läuft, Sie wissen schon, mit Drogen, nichts Schlimmes. Nicht, dass Sie was Falsches denken, Frau Kommissarin, sie haben halt die Pillen, das haben ja heute fast alle, ich weiß, die sind auch gefährlich, aber ich denk mir, die werden schon wissen, wie viel sie vertragen. Ich sag da nichts, wenn es nicht überhand nimmt, halt ich mich da raus, ich mag meine Kinder, ehrlich. Und Lucy, das sag ich Ihnen, macht mit Männern rum, sie steigt zu denen ins Auto…«
    »Das ist eine bösartige Unterstellung«, sagte Fischer.
    »Sie verleumden dieses Mädchen, Frau Ross, das ist üble Nachrede, was Sie hier treiben.«
    »Ich kenn mich aus«, sagte Ute, »ich hab schon in ganz anderen Lokalen gearbeitet, ich kann die Blicke von Männern einschätzen, und die von Frauen und von jungen Mädchen. Es gibt Männer, die stehen auf schwarze Haut, umgekehrt auch, ich nicht, ich könnt nicht mit einem Neger ins Bett gehen, aber das muss ich ja auch nicht, ich mag sie trotzdem. Und Lucy ist nicht auf den Kopf gefallen. Haben Sie sie schon mal beobachtet, wie sie geht, wie sie sich bewegt, wie sie ihren Hintern hin und her schiebt? Und dann hat sie diesen Busen, ich mein, wie alt ist sie jetzt, vierzehn? So eine Oberweite bei einem blutjungen Ding, das mögen manche Männer. Ich hab das nie weitererzählt, ich hab nur Augen im Kopf, ich seh, was ich seh, und Lucy ist so eine…«
    Im Auto legte Sebastian Fischer eine Kassette mit nigerianischer Musik ein, die ihm Natalia Horn geschenkt hatte, und versuchte, die Stimme dieser Wirtin aus dem Kopf zu bekommen. Dass Lucy sich prostituierte, war eine heimtückische Unterstellung, und er fragte sich, warum Ute Ross das gesagt hatte. Er glaubte ihr kein Wort. Sie war eine absolut unglaubwürdige Zeugin und dennoch würde Ronfeld ihre Aussagen vor dem Jugendschöffengericht verwenden. Fischer beschloss, Lucy einen Besuch abzustatten, in der Hoffnung, sie würde ehrlicher antworten als bei ihrer ersten Vernehmung kurz nach der Schlägerei im Kunstpark Ost. In jener Nacht hatte Natalia ihn angerufen und unter Tränen gebeten, die Verteidigung zu übernehmen. Er war ins Dezernat gefahren und hatte mit Lucy zum ersten Mal unter vier Augen gesprochen. Hinterher, als die Polizisten, sein Freund Ronfeld, Arano und Natalia hinzukamen, war er nahe daran gewesen, sein Mandat sofort wieder niederzulegen. Sein Eindruck war, dieses Mädchen lebte weit entfernt in einem unerreichbaren Universum, überzeugt davon, dessen einzige Bewohnerin zu sein.
    Als er in jener Nacht das Büro von Karl Funkel betreten hatte, war Lucy immer noch mit Handschellen gefesselt und man hatte ihr die Bomberjacke und die Schuhe abgenommen. Auf seine Frage, was mit den Sachen passiert sei, sagte Oberkommissar Nolte, sie würden kriminaltechnisch untersucht, das wisse er doch. Fischer sagte, es gebe keinen Grund, seine Mandantin in Socken herumsitzen zu lassen, woraufhin Nolte erklärte, im Dezernat 11 gebe es leider keine Ersatzschuhe für Straftäter. Nachdem die beiden Männer ihren Dialog auf diese Weise noch einige Minuten fortgesetzt hatten, sagte Fischer, er wolle jetzt allein mit Lucy Arano sprechen und Nolte möge ihr die Handschellen abnehmen. Das lehnte der Polizist ab, das Mädchen sei unberechenbar und habe ihn im Dienstwagen angegriffen, die Fessel diene ihrer eigenen Sicherheit, da er, Nolte, nicht garantieren könne, dass einer seiner Kollegen nicht von der Schusswaffe Gebrauch mache, falls Lucy erneut gewalttätig werde. Fischer verlangte Funkel, den Dienststellenleiter, zu sprechen, und da dieser zwar benachrichtigt, aber noch nicht im Haus war, schickte ihm Nolte Hauptkommissarin Sonja Feyerabend, die Schichtdienst hatte. Ohne Umschweife nahm sie Lucy die Handschellen ab. Danach waren Fischer und das Mädchen allein im Zimmer.
    »Hat der junge Polizist dich auf deine Rechte aufmerksam gemacht?«, fragte der Anwalt. Lucy nickte.
    »Was hat er gesagt?«
    Lucy stützte den Kopf in die Hand. Sie lümmelte am Tisch und macht einen müden und verwirrten Eindruck.
    »Was hat er gesagt, Lucy?«
    Fischer setzte sich ihr gegenüber, holte einen Block und einen Füllfederhalter aus seiner Aktentasche und stellte diese auf den Boden. Bisher hatte er Lucy immer

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