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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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nur flüchtig gesehen, ein, zwei Male bei Natalia, wenn er sich dort pediküren und maniküren ließ und das Mädchen zufällig vorbeikam. Natalia hatte ihm viel von ihr erzählt und die Artikel in den Zeitungen kannte er auch. Doch als sie nun vor ihm saß, träge zwar und scheinbar angeödet von der Prozedur ihrer Festnahme, glaubte er etwas von der unheimlichen Macht ihrer Physis zu spüren, die viele ihrer Freunde und einige der Sensationsreporter anscheinend zu heftigen Reaktionen verleitete. Es war nicht eine Aura von Gewalt oder Aggression, was Fischer wahrnahm, sondern die unberechenbare Anspannung eines Raubtiers, das jeden Moment aus seiner Lethargie erwachen und sich auf sein nächstes Opfer stürzen konnte. Fischer schaute Lucy an, ohne dass sie seinen Blick zu bemerken schien. Sie war ein Kind von vierzehn Jahren und sie war anders als die meisten Kinder, die Fischer kannte, nicht weil sie eine schwarze Hautfarbe und einen für ihr Alter beinah ausladenden Körperbau hatte. Ihr Anderssein entsprang der Art, wie sie Nähe simulierte, der man nicht so ohne weiteres wieder entkam. Wenn sie auftrat, stellte Fischer sich vor, fing jeder an, nur noch um sie zu rotieren. Sie bestimmte die Umgangsformen, auf eine geradezu natürliche Weise schaffte sie es, in kürzester Zeit ein System ganz nach ihren Wünschen zu etablieren. Faszinierend und beunruhigend zugleich wirkte sie auf den Anwalt und er dachte plötzlich, vielleicht hat der eifrige junge Kommissar Recht, vielleicht ist man besser auf der Hut vor ihr und achtet darauf, niemals die Kontrolle zu verlieren und unaufmerksam zu sein, nachgiebig, kumpelhaft.
    Ihr Blick erwischte ihn mitten in diesen Gedanken und er fühlte sich ertappt.
    »Also?«, sagte er schnell.
    Den Kopf schief in die Hand gelegt, den Arm auf den Tisch gestützt, sah sie ihn aus schmalen schattenumwölkten Augen an. Eine Iris wie Onyx, dachte Fischer, und es dauerte Sekunden, bis er wegschaute.
    Auch Lucy wandte den Kopf ab. Sie betrachtete die Tür, die geschlossen war, und dann die Grünpflanze auf dem niedrigen Aktenschrank, dessen Regale vollgestellt waren mit Leitzordnern.
    »Hat man dir gesagt, dass du nichts zu sagen brauchst und einen Anwalt anrufen kannst?«
    Sie nickte.
    »Und du hast nichts gesagt?«
    »Echt nich«, sagte sie.
    »Warum hast du nicht sofort zu Hause angerufen?«
    Es war Sonja Feyerabend gewesen, die Christoph Arano verständigt hatte, und daraufhin hatte Natalia ihn, Fischer, benachrichtigt.
    »Wieso denn?« Sie klopfte mit den Knöcheln ihrer beringten Hand auf den Holztisch. Ihre beiden kunstvoll geflochtenen Zöpfe mit den bunten Steinen berührten die Platte, so weit nach vorn gebeugt saß sie da, als wolle sie die Maserung lesen. Wenn sie so wortkarg blieb, hatte Fischer ein Problem und die Polizei einen guten Grund, sie auch ohne richterlichen Beschluss dazubehalten. Es war unwahrscheinlich, dass ein Richter noch in dieser Nacht einen Haftbefehl ausstellte, zumal gegen ein Mädchen, das erst knapp vierundzwanzig Stunden strafmündig war. Aber ausgeschlossen war es nicht. Fischer musste alles daran setzen, Lucys Vertrauen zu gewinnen.
    Welch ein Wahnsinn, dachte er. Hatte sie etwa zu ihrem Vater Vertrauen? Hatte sie Arano angerufen und um Hilfe gebeten? Gemeinsam mit Natalia Horn wartete Christoph Arano drei Zimmer weiter auf die bevorstehende Vernehmung seiner Tochter, an der er nicht teilnehmen durfte, von der er sich jedoch Aufschlüsse erhoffte, irgendwelche Hinweise darauf, was genau geschehen war. Man hatte ihm nur gesagt, seine Tochter sei nach einer Schlägerei, bei der ein Jugendlicher und ein anderer junger Mann schwer verletzt wurden, festgenommen worden. Und bevor die zuständigen Beamten nicht mit ihr gesprochen hätten, würde er keine weiteren Auskünfte erhalten.
    »Sprich mit mir, Lucy!«, sagte Fischer. »Wir müssen sehen, dass du bald wieder nach Hause gehen darfst.«
    »Wer sind Sie überhaupt?«, fragte sie.
    »Das hab ich dir doch gesagt, Sebastian Fischer heiß ich, ich bin Rechtsanwalt und Natalia Horn und dein Vater haben mich gebeten, dass ich dein Mandat übernehme.«
    »Mein was?«
    »Dass ich dein Anwalt werde.«
    »Und wieso werd ich da nicht gefragt?« Sie schaukelte mit dem Stuhl und schien zu überlegen, ob sie etwas trinken solle. Auf dem Tisch standen eine Flasche Mineralwasser und eine Flasche Orangensaft und mehrere Gläser.
    »Möchtest du einen anderen Anwalt?« Fischer hoffte, die Frage habe nicht enttäuscht oder

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