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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Melanie roch das Leder seiner Kleidung.
    »Zuerst nichts. Klaus schrie sie an und sie schwieg. Er hätte seinen Mund halten können, denn seine Sachen hatte er ohnedies schon gepackt; die Koffer standen im Flur, als meine Mutter hereinkam. Ich saß auf dem Stuhl und hab gedacht, dass er sie vielleicht jetzt umbringt, er hat ein Messer in die Hand genommen, das weiß ich noch. Er war kein gefährlicher Typ, der Klaus, er war nur so wütend, so ratlos und sauer, weil meine Mutter ihn so behandelte. Und als er sich dann etwas beruhigt hatte, sagte meine Mutter zu ihm, er wäre ihrer Liebe nicht gewachsen, das war ihr Satz: ›Du bist meiner Liebe nicht gewachsen, das hab ich jetzt erkannt.‹ Ich hab nicht verstanden, was sie damit gemeint hat, und Klaus auch nicht. Er hat mich angeschaut, als müsste ichs ihm erklären. Und dann hat sie noch gesagt, er soll ihr nicht böse sein, weil sie ihn in dem Glauben gelassen hat, sie würde ihn lieben. Es war grausam, das Gespräch, ich saß da und weinte, und meine Mutter nahm mich in den Arm. Aber es war nicht so eine Umarmung wie sonst… Sie hat mich nur in den Arm genommen, ich glaube, sie war zu sehr auf sich selbst konzentriert, auf das, was sie Klaus sagen wollte, und das war ja auch wichtiger. Er hat dann die Koffer genommen und ist weggefahren. Danach hat sie sich bei mir entschuldigt, dass sie mir so einen Schrecken eingejagt hat, und sie hat mich gefragt, ob ich sehr böse auf sie wär. Und ich hab Ja gesagt. Und dann hat sie mich so umarmt wie früher und da war ich fast versöhnt.«
    Erschöpft ließ sie sich auf die Couch fallen und vergrub das Gesicht in den Händen, bis Sonja hereinkam und die beiden betrachtete.
    »Lass uns die Nachbarn fragen!«, sagte sie.
    »Mit ein paar Nachbarn haben wir schon gesprochen«, sagte Melanie, »die haben nichts gesehen.«
    »Hat es in letzter Zeit Ärger gegeben wegen der Geschichte mit Lucy? Wegen der Zeitungsartikel?«
    »Ich glaub schon. Meine Mutter hat nicht gern darüber gesprochen, aber mein Eindruck ist, dass einige Leute sie beleidigt haben, weil sie nicht nur mit einem Schwarzen geht, sondern weil der auch noch ein kriminelles Kind hat. Ich mein, was die alles angestellt hat…«
    »Kümmern Sie sich um Herrn Arano!«, sagte Süden.
    »Wir sind in einer halben Stunde wieder da.«
    »Und was ist, wenn sie gemerkt hat, dass auch Chris ihrer Liebe nicht gewachsen ist?« Melanie legte den Kopf schief und schob gedankenverloren den linken Ärmel hoch. Jetzt konnte Süden das Tattoo erkennen, es war eine blau und rotzüngige Paradiesvogelblume.
    »Dann ist ihr wenigstens nichts zugestoßen«, sagte Süden.
    »Kann schon sein!«, sagte Melanie und schnellte in die Höhe.
    »Aber ich finde, sie wär dann ganz schön zurückgeblieben mit ihren dreiundfünfzig Jahren. Irgendwann sollte man sein Leben einigermaßen auf die Reihe kriegen und nicht andere ewig dafür büßen lassen, dass man nicht klarkommt mit sich.«
    Sie griff nach der Zigarettenschachtel und beeilte sich, aus dem Zimmer zu kommen. Von einer Sekunde zur andern empfand sie das Verhalten ihrer Mutter als persönliche Beleidigung, als gemeinen Egoismus gegenüber allen ihren Freunden und Verwandten. In der Küche goss sie sich ein Glas Weißwein ein und trank es in einem Zug aus. Arano beobachtete sie stumm.
    Sonja Feyerabend und Tabor Süden gingen zum Nachbarhaus und klingelten.
    »Wir sind liberal, mein Mann und ich«, sagte die Frau mit der roten Schürze als Erstes, nachdem die beiden Kommissare sich vorgestellt hatten. »Und der Herr Arano ist ein sehr gepflegter Mann.«
    Es war die fünfte Nacht, in der er ihr folgte, und heute war die Nacht. Wieder hatte er auf sie gewartet, unauffällig in der Menge, einer von vielen, die an der Treppe zur U-Bahn lümmelten, ein Bier tranken und so über die Runden kamen. Aber zu denen gehörte er nicht, er war allein, er war nur wegen ihr da, wegen der widerspenstigen Braut. Nach dem dritten Edelstoff wäre er beinahe ins Kaufhaus hineingegangen und hätte sie angeschaut. Nichts weiter. Nur angeschaut. Aus der Entfernung. So dass sie ihn nicht sehen konnte, es sollte schließlich eine Überraschung sein. Er war sicher, sie würde sich an ihn erinnern, das war ein besonderer Tag gewesen, als er sie zum ersten Mal angesprochen hatte, und sie hatte ihn nicht gleich verstanden. Und das ist ja auch klar bei jemand, der nicht Deutsch kann, sagte er sich. Sie konnte schon etwas Deutsch, sonst hätten die sie im Kaufhaus nicht

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