German für Deutsche
Erfahrungen, Neigungen des Wahrnehmenden. Auch für Sinn im menschenfernen Sinn ist hier kein Platz. Sinn ist etwas Fabriziertes. Sinn wird gemacht. Und genau in diese theoretische Grundstimmung passt das » Sinn machen« ganz wunderbar.
Die Diskussion von Postmoderne, Sinnverlust (im alten Sinn), Legitimationskrisen von Ethik und Religion schlug hohe Wellen in den 80er und 90er Jahren. Und genau in diese Zeit fällt auch die Eingemeindung von make sense und » Sinn machen«. Erst waren es die Theorieschreiber, dann der gehobene Journalismus, später auch der Studienanfänger oder VHS -Kursleiter, die eifrig für weitere Verbreitung von Denkstil samt passenden Wörtern sorgten.
Daher meine Behauptung: Das Reden vom Sinn machen schwimmt in Deutschland auf einer arg verwässerten konstruktivistischen Welle. Es geht nicht um Anglizismen, nicht um schlechte Übersetzungen. Es geht in erster Linie um Leitmetaphern, mit denen Menschen sich ihre Welt zu erklären versuchen.
Die Kritik an der Verwendung von » Sinn machen« greift daher grundsätzlich zu kurz. Selbst wenn hier einer sich beim Englischen bedient – die Motivlage ist nicht hinreichend geklärt, wenn nicht die Funktion des Bildes vom » Sinn machen« in den Redeweisen (Diskursen) der Medien geklärt ist. Und auch das geht hier nicht in nötiger Genauigkeit. Ich will nur die Baustelle abgrenzen, au f d er z ugleich weiter gegraben (Sprachgeschichte) und konstruiert werden muss.
Und nun noch ein Allerletztes: Die meisten Sprachkritiker meinen nicht nur, dass » Sinn machen« a) eine falsche Übersetzung, b) eine deutschem Denken unangemessene Wendung sei, sondern dass es c) schlechter Schreibstil sei. (Man erkennt die drei Motive nur selten sauber, weil meist alles übereinandergeworfen wird.) Der Vorwurf soll hier nun nicht auch noch bestritten werden. Über Stilgeschmack will ich an dieser Stelle nicht streiten. Meinem Buchprogrammchef sollte es beim » Sinn machen« jetzt reichen.
Technik oder Technology?
Wenn etwas Mechanisch-Elektronisch-Digitales sehr kompliziert ist, lesen wir heute meist von Technologie, die dafür nötig gewesen sein soll. » Technik« alleine reicht den Autoren meist nicht zur Beschreibung. Der Sprachkritiker ist empört und klagt: Der Deutsche habe » Technik«, der Engländer das Äquivalent technology. Wenn der Deutsche nun technology übersetzt, kommt die für das Deutsche überflüssige » Technologie« dabei heraus.
So einfach ist das bei den Herren Sprachkritikern. Und das wird nun bereits seit etwa 40 Jahren kolportiert. Und weil die Anglizismenkritiker sich nicht gerne an ungeliebten Wörtern sezierend abarbeiten, werden die Plattitüden voneinander abgeschrieben und verbreiten sich als kneipengriffige Anekdoten auch in bildungsferneren Kreisen.
Machen wir uns einen Deut mehr Mühe: Wie ist » Technologie« zusammengesetzt? Da kommen griechisch tèchne (was » Handwerk«, » Kunst« und » Technik« vereinte) und griechisch lógos ( » Wort« und » Lehre« und » Wissenschaft«) zusammen. Bei den Griechen war beides noch säuberlich getrennt. Deren Welt war eben noch nicht so ausdifferenziert wie heute; da reichten weniger Wörter, um alles Wichtige sprachlich abzudecken.
Aber nicht erst heute sieht die Welt kompliziert aus; schon im 18. Jahrhundert, in der Frühphase der Industrialisierung und der Hochphase der Aufklärung, brachte die Arbeitsteilung unterschiedliche Techniken zusammen, um ein Produkt herzustellen. Das fiel auch einem Herrn Johann Beckmann, Physiker und Naturgeschichtler (173 9 –1811), bei der Betrachtung des wirtschaftlich-technischen Treibens um ihn herum auf. Er sah, dass jenseits der Fertigkeiten eines Drahtziehers, Schmiedes oder Uhrmachers eine systematische Wissenschaft der kombinierten Anwendung von Techniken nötig war, um größere, kompliziertere Gebilde mit komplexer ineinander greifenden Arbeitsabläufen in den Griff zu bekommen.
So beschrieb er eine allgemeine Wissenschaft von der Technik 17 , die er – begriffsprägend – als » Technologie« bezeichnete. Ein Neologismus, also eine Wortneuschöpfung. Für einen Naturwissenschaftler, auch für Gebildete anderer Lager war im 18. Jahrhundert eine solche Neuschöpfung aber unmittelbar verständlich. Andere Wissenschaften hatten seit Jahrhunderten ähnlich konstruierte Bezeichnungen: Kosmologie, Pathologie, Biologie und Christologie – alle kombinieren einen Themenbereich (Weltall, Leid, Leben, Christus) mit der
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