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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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grausam gequält. Möchten Sie mir dazu etwas sagen?«
    In Zieglers Gesicht war keine Reaktion zu erkennen, weder Überraschung noch Abscheu. Er leugnete auch nicht. Er reagierte zu kühl für einen Unschuldigen, so viel stand für Oppenheimer fest.
    »Verstehen Sie, wovon ich spreche? Der Unterleib dieser Frauen war eine einzige Wunde. Der Täter muss ein regelrechtes Tier sein. Nein, er ist noch schlimmer als ein Tier, denn er freut sich über die Qualen seiner Opfer.«
    Allmählich kam Leben in Ziegler. Er räusperte sich. »Ick hab keenen kaputt jemacht.«
    »Warum erzählen Sie mir dann nicht, wo Sie am vergangenen Wochenende waren? Wir können das überprüfen. Es ist alles ganz einfach. Wenn Ihre Angaben stimmen, sorge ich dafür, dass Sie auf der Stelle wieder entlassen werden.«
    Ziegler schien zu überlegen. Dann schüttelte er den Kopf. »Ick hab keenen kaputt jemacht«, wiederholte er stur.
    »Wie ist es denn so beim alten Braun? Mögen Sie die Arbeit in der Werkstatt?«
    »Jeht so.«
    »Er hat mir erzählt, Sie besitzen einen Lieferwagen. Haben Sie sich nie überlegt, sich damit selbständig zu machen? Eine Firma aufmachen? Transporte, Umzüge oder so was? Das wäre doch sicher interessant für einen Mann mit Ihren Fähigkeiten. Für Höcker & Söhne haben Sie ja gelegentlich Fahrten erledigt, wenn ich mich recht erinnere?«
    Ziegler zog an seiner Zigarette. Blauer Rauch verhüllte sein Gesicht.
    Als Oppenheimer zwei Stunden später registrierte, dass nur er selbst redete, dämmerte ihm, dass er auf diese Weise nicht weiterkam. Nicht einmal über Autos mochte Ziegler reden, ein Thema, bei dem Oppenheimer gehofft hatte, mit seinem Tatverdächtigen ins Gespräch zu kommen. Doch der doofe Kalle blieb ein Rätsel. Oppenheimer musste sich eingestehen, dass er keine Ahnung hatte, wo er bei ihm ansetzen sollte. Nur eines war klar: Es waren noch Hausaufgaben zu erledigen.

    Suchend blickte sich Oppenheimer in dem Chaos um, das Voglers SD-Leute in Zieglers Hütte hinterlassen hatten. Irgendwo zwischen all dem Unrat musste der Zugang zu Karl Ziegler zu finden sein. Hatte er Wünsche? Was waren seine Träume? Was verabscheute er? Was unternahm er in seiner Freizeit? Der alte Braun konnte Oppenheimer in dieser Beziehung nicht weiterhelfen. Auch Frau Braun war weitgehend ahnungslos, was den Helfer ihres Gatten betraf. Zwar arbeitete er bereits seit fast vier Jahren bei ihnen, war jedoch die ganze Zeit über ein Fremder geblieben. Wenn man in Betracht zog, wie maulfaul Ziegler war, überraschte dies nicht.
    Der doofe Kalle pflegte sich abends in seine Hütte zurückzuziehen. Was er dort tat, wussten die Brauns nicht. Sie interessierten sich auch nicht dafür, solange er sich ruhig verhielt. Einmal hatte ihm Frau Braun einen Topf Suppe bringen wollen, woraufhin sie von Ziegler wieder hinausgeworfen wurde. Danach hatte sie keine weiteren Versuche unternommen, in sein Reich einzudringen.
    Unzufrieden kratzte sich Oppenheimer am Kopf. Wenn Ziegler wegging, pflegte er stets seine Hütte abzuschließen. Es war durchaus wahrscheinlich, dass hier irgendetwas lagerte, das für ihn eine große Bedeutung hatte. Nur, was konnte es sein? Vielleicht gab es hier ja einen Gegenstand, der einen ideellen Wert für Ziegler besaß, während ihn andere Menschen nur als Trödelkram einstuften. Oppenheimer hatte eine Aufstellung der Gegenstände bekommen. Wertsachen waren keine zu finden. Ziegler besaß keine Photographien oder ähnliche Andenken, die einen Schluss über seine Herkunft zuließen. Er schien geradezu aus dem Nichts entsprungen zu sein.
    Oppenheimer machte sich mit einem unzufriedenen Seufzer daran, die Hütte nochmals zu durchsuchen. Zieglers komplette Schallplattensammlung lag verstreut auf der dreckigen Wäsche. Die Leute vom SD hatten die Scheiben aus den Hüllen gezogen und dann achtlos auf den Boden geworfen. Für Oppenheimer war dies ein Sakrileg. Wäre jemand mit seinen Schallplatten so umgegangen, hätte er ihn zur Rede gestellt, selbst wenn es Vogler gewesen wäre. Fast hätte er seinem Instinkt nachgegeben und die Platten geordnet, doch dann erinnerte er sich daran, dass dies nicht der Grund seines Besuchs war. Also suchte er in dem Chaos nach Orientierungspunkten.
    Es gab ein Bett, eine Kommode und zwei Tische. Vorsichtig trat er um die Schallplatten herum. Das Bett war nur ein einfaches Holzgestell, auf dem man außer einer Matratze nichts unterbringen, geschweige denn verstecken konnte. Oppenheimer zog die

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