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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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beendet hatte.
    »Sie sind im Arbeitsausstande!« sagte sie ruhig, als er sie befragt hatte. »Was geht das uns an? ... Ich denke, wir hören deswegen nicht auf zu essen?«
    Sie beharrte bei ihrer Absicht. Vergebens sagte er ihr, daß das Frühstück gestört werde, daß der Besuch in der Thomasgrube nicht stattfinden könne. Sie hatte auf alles eine Antwort bereit. Warum solle man ein Frühstück verlieren, das schon am Feuer stand? Auf die Besichtigung der Grube könne man ja auch nachher verzichten, wenn dieser Spaziergang nicht ratsam sein solle.
    »Übrigens,« fügte sie hinzu, als die Kammerfrau hinausgegangen war, »übrigens weißt du, weshalb ich Gewicht darauf lege, die guten Leute zu empfangen. Diese Ehe sollte dich mehr interessieren als die Dummheiten deiner Arbeiter. Mit einem Worte: ich will es; ärgere mich nicht.«
    Von einem leichten Zittern ergriffen, schaute er sie an, und sein hartes, verschlossenes Gesicht eines Mannes der Disziplin drückte den geheimen Kummer eines gequälten Herzens aus. Sie war mit entblößten Schultern sitzen geblieben, schon überreif, aber schimmernd und noch begehrenswert mit ihren Ceresschultern, über welche der Herbst seinen Goldhauch gebreitet hatte. Einen Augenblick schien ihn das leidenschaftliche Verlangen anzuwandeln, sie zu ergreifen und seinen Kopf zwischen ihren Brüsten zu wälzen, die sie zur Schau trug in diesem warmen Gemache, wo der geheime Luxus eines sinnlichen Weibes herrschte und ein sinnverwirrender Moschusduft die Luft sättigte. Doch er wich zurück; seit zehn Jahren waren ihre Schlafzimmer getrennt.
    »Es ist gut«, sagte er, als er sie verließ. »Wir wollen nichts abbestellen.«
    Herr Hennebeau war in den Ardennen geboren. Der Beginn seiner Laufbahn war hart genug, denn er war als armer Waisenknabe auf das Pariser Pflaster geschleudert worden. Nachdem er unter Not und Mühen die Bergwerksschule durchgemacht hatte, war er mit achtundzwanzig Jahren nach den Grantle-Combe-Gruben, als Ingenieur des Barbaraschachtes gegangen. Drei Jahre später ward er Divisionsingenieur im Pas-de-Calais in den Gruben von Marles. Hier heiratete er in einer jener glücklichen Fügungen, wie sie in der Welt der Bergleute nicht selten sind, die Tochter eines reichen Spinnereiinhabers zu Arras. Fünfzehn Jahre lang wohnte das Ehepaar in demselben Provinzstädtchen, ohne daß irgendein Ereignis die Eintönigkeit ihres Lebens störte, selbst die Geburt eines Kindes nicht. Eine wachsende Gereiztheit ließ Frau Hennebeau sich von ihrem Gatten abwenden. Sie war in der Achtung vor dem Gelde erzogen und verachtete diesen Mann, der in harter Arbeit seine bescheidenen Bezüge erwarb und ihr keine jener Befriedigungen der Eitelkeit bot, von denen sie in der Pension geträumt hatte. Er in seiner strengen Rechtlichkeit spekulierte nicht, sondern blieb auf seinem Posten wie ein Soldat. Die Uneinigkeit nahm nur zu, noch verschärft durch eines jener sonderbaren Mißverständnisse des Fleisches, welche selbst die Glühendsten zu Eis erstarren lassen: er betete seine Frau an, sie aber war von der Sinnlichkeit einer lüsternen Blonden, und schon schliefen sie abgesondert, unbehaglich, sogleich verletzt. Seit jener Zeit hatte sie einen Liebhaber, was er nicht wußte. Endlich verließ er das Pas-de-Calais, um in Paris eine Bürostelle anzutreten, mit dem Gedanken, daß sie ihm hierfür dankbar sein werde. Allein in diesem Paris ward ihre Absonderung eine vollkommene, -- in diesem Paris, nach dem sie seit ihrer ersten Puppe sich gesehnt hatte, und wo sie nach acht Tagen ihr provinziales Wesen abgestreift hatte, um mit einem Schlage eine elegante Modedame zu werden, die sich allen kostspieligen Torheiten der Zeit hingab. Die zehn Jahre, die sie daselbst verbrachte, waren von einer großen Leidenschaft ausgefüllt, von einem allgemein bekannten Verhältnisse mit einem Manne, dessen Trennung von ihr fast ihren Tod herbeigeführt hatte. Diesmal konnte der Gatte nicht in Unkenntnis der Dinge bleiben. Nachdem abscheuliche Szenen zwischen ihnen stattgefunden, ergab er sich in sein Schicksal, entwaffnet durch die ruhige Gewissenlosigkeit dieser Frau, die ihr Glück nahm, wo sie es fand. Nach dem Bruche mit ihrem Liebhaber hatte er, als er sie krank vor Kummer gesehen, die Stelle eines Bergwerksdirektors zu Montsou angenommen in der Hoffnung, daß er sie dort in jenem wüsten, schwarzen Lande bessern werde.
    Bei den Hennebeau waren, seitdem sie in Montsou wohnten, die Gereiztheit und die

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