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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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Trauergäste bittet, sich in den nächsten Saal zu begeben, wo fürs Essen gedeckt ist. Im selben Moment, da Dieter Schnabel seine Rede beschließt, fällt die Glühbirne der Lampe, die den an der Wand hängenden Gobelin beleuchtet, mitsamt ihrer Fassung aus der Halterung und zerspringt mit lautem Knall in tausend Scherben. Dieter dreht sich zu mir um und sieht mich fragend an. Worauf ich antworte: »Sie hätten doch Taitinger Comtes de Champagne servieren lassen sollen, wir hören, er ist noch da und vermisst seinen Lieblingstrunk.«
    Gegenüber seinem spendierfreudigen Vater Hermann erwies sich Sohn Dieter als aus etwas anderem Holz gedrechselt. An einem herrlichen Herbsttag ging ich während meiner Nachmittagspause wie so oft in den Mariendom. Zufällig treffe ich in der Sakristei den Dompfarrer und der erzählt mir, wie viel die dringend nötige derzeitige Renovierung des Gotteshauses kostet. Der Pfarrer und ich kennen uns seit langem, und er legt mir ans Herz: Sollte ich jemanden kennen, der bereit sei, etwas zu spenden, um für die hohen Kosten aufzukommen, wäre er für einen Hinweis sehr dankbar.
    Nach unserem Gespräch begebe ich mich zurück zum Hotel, um sechs beginnt der Abenddienst. Da kommt zu meiner Freude Dieter Schnabel mit seiner zauberhaften Gattin Teresa in den Grill. Er eine barocke, stämmige Hamburger Frohnatur, sie beinahe zerbrechlich. In ihrem schmal geschnittenen Designerensemble wirkt sie heute noch zarter, als sie ohnedies ist. Doch wenn sie lacht, lacht der ganze Mensch. Er hat zwar nicht reserviert, aber es gibt zufällig einen schönen freien Fenstertisch (die beiden gehören zu der Kategorie Gäste, für die es immer »Zufälle« gibt). Am gegenüberliegenden, ebenso schönen Fenstertisch sitzt ein sehr bekannter großzügiger Hamburger Mäzen mit seiner Familie. Schnabel grüßt mit höflicher Verbeugung. Zu einem Gespräch kommt es nicht, so gut kennt man sich wohl nicht.
    Es werden Aperitifs getrunken und Essen bestellt. Es ist ein ruhiger Abend und ich denke: Dies ist der Tag, dies ist die Stunde. Die rechte Gelegenheit, Dieter Schnabel andeutungsweise von dem fehlenden Domgeld zu erzählen; vielleicht will er sich ja dafür verwenden. Ich habe noch nicht zu Ende berichtet, da hat Dieter schon erkannt, worauf ich hinauswill, und unterbricht mich mit den Worten: »Damit sind Sie bei mir an der falschen Adresse.« Herzhaft lacht er übers ganze Gesicht, so dass alle Muskeln auf und ab hüpfen, weist mit einem Kopfnicken zum Fenstertisch gegenüber und meint: »Dort müssen Sie Ihre Geschichte vortragen, da werden Sie mehr Erfolg haben.« Nimmt sein Champagnerglas und: »Prost!« Das war’s!
    So ist er, immer geradheraus, das macht ihn auch so sympathisch.

Ich würde Ihnen so gerne ein Bier ausgeben!
    Während meines gesamten Berufslebens habe ich mich nicht nur bemüht, mein Gäste so gut wie möglich zu betreuen, zu beraten und ihnen, wo erforderlich, auch Beistand zu leisten, sondern ein Gleiches galt auch für meine Mitarbeiter und Kollegen. Immer ein offenes Ohr für die Sorgen der anderen zu haben ist für das Betriebsklima von Vorteil. Und ein gutes Betriebsklima strahlt auch auf die Gäste über, sorgt für Sonnenschein im ganzen Haus.
    Dieses »Ein-Ohr-Haben« kann es schon auch mal mit sich bringen, dass man sich außerhalb des Betriebs mit einem Mitarbeiter trifft, um Probleme und Nöte ungestört auf neutralem Boden zu besprechen. Ein solcher rücksichtsvoller Umgang mit den Kollegen, das umsichtige und kameradschaftliche Miteinander, wird ja auch von den Vorgesetzten und Managern immer wieder eingefordert und zu delegieren versucht. Bei den Predigern selbst habe ich Vergleichbares indessen oft vermissen müssen.
    Ich treffe mich also zum Mittagessen mit einem Kollegen – einem problembehafteten Kollegen. Wir verabreden uns für zwölf Uhr mittags im Block House am Hauptbahnhof. Ein sicherer Ort für ernste Gespräche und auch zum Wohlfühlen bestens geeignet. Ich komme pünktlich. Theodor ist schon da. Heute trinkt er Mineralwasser. Auch ich nehme ein Wasser.
    Wir bestellen gegrillte Steaks. Zart wie das Zwitschern von Amselzungen. Die besten Steaks der Stadt. Besser geht’s nicht. Nun ja – höchstens vielleicht im Jahreszeiten-Grill. Dazu wunderbar knusprige Pommes frites und frischer, knackiger Salat. Das so oft missbrauchte Wort »Frische« hat im Block House absolute Berechtigung. Die umsichtige Kellnerin fragt freundlich, ob wir zum Essen Wein oder Bier

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