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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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halten Sie einen guten Jahrgang vom Tignanello bereit.« Ein nicht gerade billiges Spitzengewächs aus der Toskana. Auch beim Wein war also »erlesen« angesagt.
    Besagter Abend ist da, alles bereitgestellt. Ihr Mann, ein echter und rechter Hamburger Kaufmann von kleiner, kräftiger Statur, die runde Nickelbrille so auf der Nasenspitze positioniert, dass er mehr drüber als durchschaut, ordert, wie ankündigt, in leichtem Hamburger Missingsch teuren Tignanello. Die Tafel auf der Galerie am Fenster mit Blick auf die Binnenalster ist festlich gedeckt. Die elitären Gäste treffen ein, die Damen in edelste Haute Couture gehüllt, die Herren im feinen Zwirn. Darunter so manches schöne Stück aus dem edlen Modehaus Braun am Jungfernstieg. Geschenke werden überreicht und ein Meer von Blumen. Vorwurfsvoll sagt die Gastgeberin: »Ich habe ausdrücklich darum gebeten, keine Geschenke mitzubringen«, wobei sie schwer seufzt: »Aber ihr könnt es nicht lassen.«
    Auch sie hat sicher die Erfahrung gemacht, dass man das Gros der Geschenke nicht braucht, schon hat oder das Betreffende eben deshalb nicht hat, weil man es nicht will. Mit schlechtem Gewissen schenkt man solche Geschenke dann weiter, in der Hoffnung, dass es der Geber nie erfährt. So manche Pralinenschachtel oder Blumenvase hat auf diese Weise eine jahrelange Odyssee zurückgelegt, um irgendwann wieder beim ursprünglichen Verschenker anzukommen. Gerade Geburtstage vom Personal bieten einen hervorragenden Anlass zum Weiterschenken. Da werden Putzfrauen, Bedienerinnen oder Haushaltshilfen gerne benutzt, um überflüssigen Plunder loszuwerden, wenn er denn nicht allzu kostbar ist.
    Kurzfristig war es mir noch gelungen, mit der Gastgeberin zu vereinbaren, dass es vielleicht doch besser sei, den Kaviar nicht auf den Tisch zu stellen, sondern zu servieren . »Ja«, hatte sie beigepflichtet, »das finde ich auch besser, aber präsentieren Sie die große Dose zu Beginn, damit die Gäste auch sehen, dass sie großzügig davon essen können.«
    Gesagt, getan, ich serviere die erste Runde, dann gehe ich ein zweites Mal herum. Einige der feinen Gäste suchen sich mit heimlichen Blicken aus den Augenwinkeln zu vergewissern, ob denn die anderen noch einmal nehmen, ob es sich also auch für sie schickt. Ein ganz Dicker am oberen Ende des Tisches, weit weg von den Gastgebern, flüstert mir, während ich mich zu ihm hinbeuge, leise ins Ohr: »Geben Sie mir zwei große Löffel, ich hab’s dringend nötig, mal sehen, ob es hilft.« Dabei lacht er aus voller Brust und mit breitem Gesicht, wobei der pralle Bauch in einem fort auf und ab hüpft. Ich habe nicht gleich verstanden, was er meinte. Bei der dritte Anfrage um »Nachservice« lehnten viele schon ab. Eine Dame der Hamburger Gesellschaft mit auf Marilyn Monroe geschminktem Gesicht samt knallrotem Mund fiel mir besonders auf. Sie sagte jedes Mal, wenn ich anbot, kichernd: »Ich mach es wie meine Kinder, die sagen in solchen Fällen stets: ›Immer zu, wer weiß, ob es morgen noch was gibt.‹« Somit war sie fein raus. Ihr danebensitzender Mann schämte sich wieder einmal fremd.
Reklamation aus dem Jenseits
    Konsul Hermann Schnabel ist tot. Der große Hamburger Mäzen, Spender, Sponsor und Gutmensch hat sich mit fast neunzig Jahren von der irdischen Welt verabschiedet. Ich erinnere mich nicht, jemals eine in so tiefe Trauer versunkene Witwe gesehen zu haben wie Else Schnabel. Der Verlust des Ehemanns hat sie offenbar aus allen Bahnen geworfen. Wenn’s denn die große Liebe gibt, dann war das wohl eine. Mit allen Freuden und Leiden.
    Nach der feierlichen Einsegnung und anschließenden Beerdigung sollte es einen »Leichenschmaus« im Vier Jahreszeiten geben. In jenem Hotel, das der Konsul zu Lebzeiten wohl tausendmal und mehr besuchte hatte. »Es gibt in Hamburg nichts Besseres«, war sein Credo, dort sollte auch das letzte Mahl zu seinen Ehren stattfinden. Die Trauergesellschaft, an die zweihundert Personen, versammelte sich in einem Festsaal, um den Aperitif zu trinken. Champagner. Konsul Hermann Schnabels Leibgetränk. Bei der Wahl der für diesen traurigen Anlass passenden Kreszenz hatte Sohn Dieter, Organisator der Trauerfeier, um meine Beratung gebeten. Für so viele Gäste, hatte Dieter gemeint, solle es besser nicht Taitinger Comtes de Champagne, die Lieblingssorte seines Vaters, sondern der nicht ganz so exklusive Veuve Clicquot sein.
    Der Aperitif geht zu Ende. Der Sohn hält eine kleine Rede, an deren Ende er die

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