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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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schönen Platz für Sie bemühen.« Das hat er verstanden, fragt aber noch, ob es denn möglich sei, die Tafel ein wenig zu dekorieren. »Ich möchte meiner Frau einen besonders schönen Abend bereiten.«
    Freitagabend. Pfisters betreten das Restaurant. Der Tisch ist herrlich geschmückt. Altrosafarbene Rosen, tiefgrüne, glänzende Rosenblätter, um die Teller herum zu einem Halbkranz geformt, abwechselnd Rosenblüte, Rosenblatt und wieder Rosenblüte, Rosenblatt ineinander verschlungen. Um dem Abend gleich eine festliche Note zu geben, wird Champagner Rosé geordert. Mit dem Bestellen der Speisen will das Paar noch ein wenig warten.
    Inzwischen wird am Tisch daneben, einer Tafel mit zwölf Personen, gebratene Ente serviert. Sechs Stück wunderbar braun gebratene heimische Enten. Der Kellner präsentiert die große Platte mit dem knusprigen, dampfenden Geflügel. Die Pfisters sehen das Geschwader von Federvieh und bekommen Appetit.
    Die Dame hat ein herrliches weißes Satinkleid an, auf dessen Ausschnitträndern zarte Brüsseler Spitzen aufgenäht sind. Die anliegenden Ärmel am unteren Ende spitz zugeschnitten. Die Spitzen, mit kleinen, in Herzform aufgenähten Strasssteinchen verziert, legen sich zart auf den hinteren Handrücken. Als Halsschmuck trägt sie eine breite Goldkette, die ganz auf Hals und Dekolleté aufliegt. Die Brüste sind wunderschön apfelförmig, von blütenweißem Teint, der die blauen Äderchen ein wenig durchscheinen lässt. Auch die Hände blütenweiß. Der Ringfinger der rechten Hand mit zwei dünnen Goldringen geschmückt, einer davon mit einem kleinen Brillanten besetzt. Manchmal, wenn sie verträumt vor sich hin sieht, versucht sie mit Mittelfinger und kleinem Finger die Ringe hin und her zu drehen und in die beste Stellung zu bringen, damit sie auch gut zur Geltung kommen. Dabei legt sich ein kleines verliebtes Lächeln um den leider viel zu stark geschminkten Mund.
    Als die Dame bemerkt, dass es mir nicht gelingt, meine Augen im Zaum zu halten, und ich immer wieder einen heimlichen Blick auf das Ensemble werfe, sagt sie, indem sie die Brust noch höher anhebt, mit Stolz in der Stimme: »Das ist mein Hochzeitskleid«, und streicht sachte mit der Hand darüber. »Das habe ich vor genau fünfundzwanzig Jahren auch getragen und es passt mir noch genauso wie am Tag der Hochzeit.«
    Der Gemahl saß schweigend daneben und studierte die Speisekarte. Bei ihm hatte ich nicht den Eindruck, dass der dunkelblaue Anzug sein Hochzeitsanzug war, und wenn, dann war er ihm doch etwas eng geworden. Die Knöpfe zerrten an den Knopflöchern und legten von der Achselhöhle zum Bauch hin an beiden Seiten den Stoff in Falten.
    »Herr Ober«, meldet sich der Herr, nachdem er sich kurz mit seiner Frau besprochen hat, »wir sind bereit«, er vergewissert sich mit einem erneuten Blick zu seiner Frau, »wir können bestellen.« Ich nehme meinen Notizblock und frage: »Bitte schön, was darf es sein?« – »Wir nehmen«, sagt er und deutet dabei auf den Nachbartisch, »ebenfalls diese herrlich knusprige Vierländer Ente.« Die Dame nickt zustimmend und macht leise zweimal »Hm, Hm«. »Als Vorspeise bitte nur eine kleine Tasse klare Bouillon, sonst bleibt kein Platz für den Nachtisch.« Die Dame lacht und sagt neckisch: »Für die Hochzeitstorte.«
    Ich gehe sofort in die Küche, um die Bestellung an den Küchenchef weiterzuleiten. »Oh«, sagt der, »ich habe die letzten Enten schon ausgegeben, die neuen sind soeben erst in den Ofen gekommen und werden noch gut zwei Stunden benötigen, um braun und knusprig zu sein.«
    »Oh je«, sage ich, »das ist ja unglücklich.« Nun musste ich die Pfisters über die lange Wartezeit in Kenntnis setzen.
    »Mein Gott«, meinte Herr Pfister verdattert, »zwei Stunden auf das Essen warten – ja, was soll ich denn in der Zwischenzeit machen?«
    Ich gab ihm den Rat: »Zur Not können Sie sich ja mit Ihrer Frau unterhalten.«
    Unterhalten? Das wollte er nun auch wieder nicht. Unglücklicher Hochzeitstag!

Nicht durchgehalten
    Wie eingangs erwähnt habe ich von etlichen meiner Gäste den Hochzeitstag in Erfahrung gebracht – so auch von Manuel Helsberg. Ein hinreißender Mann, klein von Wuchs; was Charisma, Intellekt und Geist anbelangt, jedoch ein sehr großer Mensch. Beim Betreten eines Restaurants stets das Pfauenrad schlagend. Blickt um sich: »Wer ist da, wer sieht mich?« Beleidigt und gekränkt, wenn er nicht seinen Tisch am Fenster bekommt. Mit Recht; ein guter

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