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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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machen wir? Wie den Meister nicht blamieren?!
    Im selben Augenblick haben wir alle den gleichen Einfall. »Na, also!«, rufen wir unisono. »Es funktioniert doch.«
    Wir alle waren gerettet. Der Meister hatte recht behalten.
    Mit gutem Glauben und großen Füßen kann man sogar über Wasser gehen.
    Und außerdem: Der Gast hat immer recht.
Vladimir Horowitz – Drei Autogramme für eine Hühnersuppe
    Von dem begnadeten Pianisten Vladimir Horowitz wollte ich ebenfalls gern ein Autogramm haben. Auch hatten einige Freunde, als sie erfuhren, dass Horowitz für einige Wochen im Vier Jahreszeiten wohnen würde, bei mir denselben Wunsch geäußert.
    Begleitet wurde der große Tastenvirtuose von seiner Frau Wanda, der Tochter des legendären Dirigenten Arturo Toscanini. Eine Frau, die wusste, was sie wollte. Letzteres wusste auch der Meister und er richtete sich so weit wie möglich danach.
    Meist kam er am frühen Abend, nach der Nachmittagsprobe, um Hühnersuppe und Seezunge zu essen. Die gute, energische Wanda war auch sehr streng, wenn es um Autogramme ging. Er durfte höchstens zwei pro Tag geben. Warum nur zwei? Man weiß es nicht. Ich aber hatte in einem Versteck sechs Schallplattenhüllen vorbereitet.
    Eines Tages sitzt Horowitz um zirka drei Uhr nachmittags in der Hotelhalle. Allein! Oh, denke ich, nutze die Gunst der Stunde. Baue mich also mit den Hüllen unterm Arm und einem Sonntagslächeln im Gesicht vor dem Meister auf und trage mein Anliegen vor. Er schaut mich mit seinem verschmitzten Alltagsblick an und fragt: »Wo ist meine Frau?« Ich antworte: »Beim Friseur.« Er: »Wie lange noch?« Ich: »Sie wird grade kopfgewaschen.« – »Geben Sie her!«, sagt Horowitz hastig. »Was bekomme ich als Gegenleistung für die Autogramme?« – »Eine Hühnersuppe mit viel Fleisch drin«, sage ich prompt. »Für Hühnersuppe«, entscheidet der Meister, »gibt’s nur drei Autogramme.« – »Gut«, sage ich, »dann noch zwei Seezungenfilets extra.« – »In Ordnung«, antwortet der Meister, »dafür schreibe ich sogar Ihren Namen dazu.«
    Na, das war nun wieder nicht ganz so gut, es sollten ja auch welche für Freunde sein, die Franz und Karl hießen. Dennoch bedankte ich mich rasch und verschwand hastig mit den Platten, denn um die Ecke hörte ich schon Wandas zielstrebige Schritte.
    Keine guten Töne. Unheilverkündend.
Arturo Benedetti Michelangeli – Eine halbe Portion für den Tastengott
    Groß, grimmig finstere Miene, die schwarzen Haare wie Franz Liszt gescheitelt und lang bis zu den Schultern, so erschien Arturo Benedetti Michelangeli im Grill. Er sprach keinen Ton, signalisierte nur mit dem Daumen nach oben: einen Tisch für eine Person. Egal welcher Tisch. Es könnte auch die hinterste Ecke sein. Ansprüche auf Besonderheit hatte er nicht. Sehr wohl aber bei seinem Tastenspiel: Da war jeder Anschlag epochal. Ein kleines Gericht sollte es sein. Wenn möglich eine halbe Portion. Es war möglich. Die Bestellung der Speise erfolgte ebenso tonlos wie die Ankunft. Lediglich die zwei Wörter: » Little portion .« Beim Servieren des Wassers nur ein kurzes Nicken. Der Gesichtsausdruck finster wie gewohnt. Bis dato hatte ich diesen großartigen Pianisten nie auch nur lächeln gesehen. Auch nicht im Konzert bei tosendem Applaus. Man hatte das Gefühl, solche Ovationen seien ihm eher zuwider als angenehm. Ein Sprichwort sagt: »Applaus ist das Brot des Künstlers.« Für ihn war er wohl mehr bittere Galle.
    Auch Maestro Michelangeli zählte zu der exklusiven Schar herausragender Künstler, bei denen ich mir hin und wieder erlaubt habe, um ein Autogramm zu bitten. Ich wusste, dass diese Mittagessen im Grill die einzige Möglichkeit waren, den Künstler zu fragen. Ob seiner üblichen stummen Konversationsweise getraute ich mich aber nicht. Obwohl ich ihn schon von zwei vorangegangenen Besuchen her kannte. Er mich sicher nicht. Da ich wusste, er logiert im Hotel, hielt ich für den Fall des günstigen Falles in einer Schublade eine Schallplatte bereit. Nachdem er seine halbe Portion aufgegessen hatte, verlangte er die Rechnung. Mein Gott, wie war ich aufgeregt! »Jetzt oder nie«, war mein einziger Gedanke. Er würde wohl, da war ich mir ziemlich sicher, mit einer verneinenden Handbewegung an mir vorbeigehen.
    Allen Mut zusammennehmend greife ich in meine Lade und halte ihm die Langspielplatte hin. Ohne Worte. Er begreift meinen Wunsch. Er sieht die Platte an, dann mich, und dann – unglaublich! – ein Lächeln auf

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