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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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Schaufenster herantritt. Manchmal zeigt einer mit dem Finger auf einen Gegenstand im Schaufenster, sucht aber sofort wieder des anderen Hand.
    Sie gehen gemächlich, langsam.
    Ist es dass, was man Liebe nennt? Ist es das Extrakt, das von langer Lebensliebe bleibt? Vielleicht nach sechzig Jahren oder gar mehr? Das Eigentliche. Das Wirkliche. Das Einzige, was in der seelischen Buchführung zählt.
    Ich, dienstbeflissen, wie ich nun einmal bin, schreite an den beiden vorbei. Bei einem Blick nach rechts erkenne ich die Eheleute. Wilhelm und Sigrid Hansen. Langjährige treue Stammgäste im Hotel Vier Jahreszeiten und im Jahreszeiten-Grill.
    Vielleicht gibt es die »große Liebe« ja wirklich?! Möglicherweise ein Leben lang. Oder noch länger.

Ein Autogramm vom Maestro
    Beschriebene Musik ist halt wie ein erzähltes Mittagessen.
    Franz Grillparzer
Herbert von Karajan und Rossinis Salatrezept
    Musik hat für mich seit meiner frühen Kindheit stets einen hohen Stellenwert gehabt. Wenn es auch anfangs mehr die einfachen Ohrwürmer waren, die mein musikalisches Herz erwärmten, so entdeckte ich doch bald die herrliche Welt der klassischen Musik. Da ist es wenig verwunderlich, dass mich die Aussicht auf eine Begegnung mit dem vielleicht nicht größten, aber doch bekanntesten Dirigenten deutscher Sprache in nicht geringe Aufregung versetzte.
    Es wurde ein Tisch für drei Personen reserviert: Maestro von Karajan, ein enger Mitarbeiter und dessen Frau. Ich wusste schon Tage vorher, dass Karajan anreiste, und hatte einige entsprechende Plattencover mitgebracht. Bin zwar kein Autogrammjäger, aber von sehr bekannten oder mir besonders am Herzen liegenden Künstlern ließ ich mir ab und zu gerne die Unterschrift geben.
    Der Maestro und seine kleine Entourage trafen ein. Die Frau des Mitarbeiters als Erste. Eine Salzburgerin. Kleiner Wuchs. Bunt geblümtes Seidenkleid mit breitem Lackgürtel um die Taille. Brauner, sommersprossiger Teint und glatt zurückgekämmtes schwarzes Haar. Der Maestro hinterdrein. Sein Haar grau-silbrig und spitzbübisch frisiert. Pfeffer-und-Salz-farbiger Rollkragenpullover, dunkles Sakko. Alters- und krankheitsbedingt zieht er die Beine nach, braucht eine Weile bis zum Tisch. Karajan platziert sich am hinteren Ende des Tisches zwischen seinen beiden seitlich sitzenden Begleitern. Sobald die Getränke serviert und die Speisenbestellungen entgegengenommen sind, komme auch schon ich mit meinen Schallplattenhüllen. Es waren derer vier.
    In deutlich österreichischem Tonfall bat ich den Maestro um die Widmungen. Heimatverbundenheit und eine gehörige Portion Patriotismus zu zeigen ist in solchen Fällen immer von Nutzen. Karajan gab mir die unterschriebenen Hüllen mit einem Lächeln zurück und meinte, mit leicht fistelnder, hoher Stimme, doch in straffem Befehlston: »Dafür machen Sie mir aber jetzt einen guten grünen Salat zurecht.«
    Nichts lieber als das. Wir einigten uns auf ein französisches Dressing. Ich ließ mir eine große Schüssel aus Gmundner Keramik kommen, die wir im Fundus hatten. Gmunden liegt unweit von Karajans Salzburger Domizil. Dazu besorgte ich mir die Ingredienzien: Essig, Öl, Salz, Pfeffer, Senf. Begann, alles zusammenzurühren. Alle Beteiligten, außer dem Maestro (er saß am anderen Ende des Tisches und tief im Sofa), konnten in die Schüssel schauen und genau verfolgen, was ich machte. Er selbst konnte zwar die Schüssel sehen, aber nicht über den Schüsselrand in ihr Inneres blicken.
    Ich rührte und rührte, aber Öl und Senf verbanden sich nicht. Als nun Karajans Begleiterpaar – er mit offenbar viel zu engem Hemdkragen, das Doppelkinn quoll über und über, die Halswendungen beschwerlich – zunehmend angestrengt schaute, wurde auch Herbert von Karajan neugierig und beugte sich über den Tisch, um zu sehen, was denn da passierte. Wie er erkennt, dass Öl und Senf partout keine Vereinigung eingehen wollen, verkündet er stolz: »Sie müssen jetzt ein paar Tropfen scharfen Essig dazugeben, dann wird es sich geschmeidig zu einem innigen Verband vermischen.« Erläuternd fügt er hinzu: »Das Rezept habe ich von Rossini übernommen, der ein leidenschaftlicher Koch war«, und setzt sich wieder zurück in sein Sofa. Ich tu, wie befohlen. Gebe den sehr scharfen Essig dazu, nix passiert.
    Mitarbeiter und Frau sehen auch, dass nix passiert. Keine Veränderung. Wir drei schauen uns an, ein unglücklicher Blick in unser aller Augen. Der Maestro hat nicht recht. Quelle malheur! Was

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