Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
angemeldet. Für solche Spezialfälle habe ich immer eine Schachtel mit allerlei Krimskrams. Diesmal fand ich in meiner Schachtel kleine, verschiedenartig bemalte Nussknacker, die den Mund groß aufsperrten und die Arme bewegten. Jedes der Kinder durfte sich aus meinem Karton einen Nussknacker aussuchen. Diesmal dachte ich, ja hoffte es beinahe, es werde Gezanke der Farben wegen geben. Nichts. Kein Mucks. Fast schon unheimlich. Obwohl die Kinder sicherlich schon oft und immer wieder beschenkt worden waren, haben die glänzenden Augen jedes einzelnen Kindes meine Seele berührt.
Nach dem Mahl wurde der Tisch von den Brotkrumen befreit. Doch nicht mit einer einfachen Bürste. Ich hatte vor Jahren von Manon Mengers, mit ihrem Mann Claas ein häufiger Gast im Grill, ein putziges Wägelchen geschenkt bekommen, eine Art Tischkehrer in Autoform. Wenn ich damit über den Tisch fuhr, setzten sich zwei kleine Bürstchen in Bewegung, die die Brotkrumen flugs in einen versteckten kleinen Container beförderten. Dieses kleine Auto brachte ich nur bei bestimmten Gästen zum Einsatz. Das war eine Herzenssache.
Am Tisch der Kinderfamilie Kraft benutzte ich es jeden Abend. Am letzten Abend tanzt der dreijährige Ludwig schon beim Einmarsch der Familie aus der Reihe, selbst auf die Gefahr hin, dass es Konsequenzen haben könnte, und fragt ganz leise: »Kommst du wieder mit dem Kehrauto?« Damit hat er mich endgültig besiegt.
Von den erwähnten Nussknackern, etwa zwölf Zentimeter groß, habe ich im Laufe der Jahre etwa hundert Stück verschenkt. So war am 23. Dezember immer der Architekt und Autor Holger Reiners mit seiner Frau und den beiden Kinder Adrian und Beatrice zu Gast. Auch für die beiden gab es an diesem Tag je einen bunten Nussknacker zum Gedeck. Viele Jahre en suite . Die kleinen Figuren wurden in der Adventszeit in ihrem Haus auf den Kamin gestellt. Die Kinder freuten sich Jahr für Jahr sehr auf diese kleine Überraschung. Dessen wurde ich mir erst bewusst, als der Vater mich einmal einige Tage vor dem Besuch anrief und fragte, ob ich auch in diesem Jahr zwei Nussknacker hätte, die Kinder träumten schon davon.
Ebenso erinnere ich die glänzenden Auge des kleinen Philip P. Wenn man solches Glühen der Herzen bewirkt, dann ist doch, ehe Nacht, das Tagewerk vollbracht!
Ein morgendlicher Sonnenstrahl
Lieber Herr Nährig, heute möchte ich mich mit ein paar handgeschriebenen Zeilen, wie Sie sie oft an mich gerichtet haben, an Sie wenden. Haben Sie meinen Dank für all die vielen Grüße und Wünsche, die Sie zu meinen Geburtstagen gesendet haben. Auch für die kürzlich erhaltenen zu meinem 18. Geburtstag. Mit herzlichsten Grüßen von mir und meinen Eltern Günther und Helga sowie von meiner Schwester Lina,
Julian R. Z. Zt. Studiosus in Freiburg.
Eine junge Hand, Feder und Tinte. Hab Dank für die liebe Müh! Das wichtigste Zimmer im Haus ist die Kinderstube. Gute Manieren und freundliche Zeilen haben immer Saison!
Der Wein korkt
Herr Kramer ist Leiter eines großen Unternehmens. Und das, was man unter gutsituiert versteht. Frau Kramer ist eine ideale Mutter. Klein, ein bisschen pummelig und herzensgut. Sohn Florian, neunzehn Jahre, hat Abitur gemacht und mit »sehr gut« bestanden. Das muss gefeiert werden. Natürlich im Jahreszeiten-Grill. Nein, Florian ist keiner dieser langzotteligen Studenten, das würde weder Vater noch Mutter erlauben. Vielmehr adrett, mit Anzug und Krawatte bekleidet und das braune kurze Haar zu einem Scheitel frisiert.
Schon als die Kramers das Restaurant betreten, kann ich bei jedem Wort erkennen, dass er ein sehr aufgeweckter Junge ist. Gleich hat er bemerkt: »Das ist aber ein schöner Tisch.« Auf den Tisch ist, extra für die kleine Feier, ein bunter Blumenstrauß gestellt, während, wie der Sohn sogleich beobachtet hat, auf allen anderen Tischen Vasen mit nur einer Blume stehen. »Seht ihr«, sagt er zu seinen Eltern, »das ist der Unterschied zwischen einem einfachen Restaurant und dem Hotel Vier Jahreszeiten.« Darauf sagt der Vater leise zu den beiden (ich konnte es zufällig hören, weil ich am Nebentisch servierte und er es, da seine Frau nicht gleich verstand, wiederholen musste): »Von wegen Unterschied, dafür müssen wir sicher extra bezahlen.« Mussten sie nicht. Ein Service des Hotels.
Für Herrn Kramer und seinen Sohn ist gutes Essen etwas, was sie durchaus schätzen, viel wichtiger aber ist ihnen die Auswahl des Weines. Die Mutter trinkt zwar Wein, wie sie sagt,
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