Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
heutigen Zeit, in der die Köche mehr denn je in den Mittelpunkt rücken, noch ungünstiger entwickelt. Beinahe jeder sogenannte Starkoch fühlt sich förmlich als der Erfinder des Rades und der Nabel der Welt. Die Wichtigkeit der Köche will ich auch keinesfalls in Abrede stellen. Jean Anthèlme Brillat-Savarin sagte schon vor annähernd zweihundert Jahren: »Die Entdeckung eines neuen Gerichts beglückt die Menschheit mehr als die Entdeckung eines neuen Gestirns.«
Allerdings kommt es in diesem Bereich auch zu Auswüchsen, und die Starallüren vieler Köche haben oft zur Folge, dass die menschliche Kultur auf der Strecke bleibt. Die Verteilung von Sternen und Hauben an die besten Köche tut das Ihre und setzt die Kochkünstler noch mehr unter Erfolgszwang. Dabei steht ihr »Benimm«, ihre häufig ungehobelte Sprache und Auftretensweise, vielfach in krassem Gegensatz zu ihrer verfeinerten Kochkunst. Die verbalen Entgleisungen sind oftmals unerträglich. Sehr wohl weiß ich, dass das Arbeitsumfeld des Kochs ein sehr forderndes ist. Zum Zeit- und Leistungsdruck kommt als zusätzlicher Stressfaktor die enorme Hitze in der Küche hinzu und trägt dazu bei, dass alle Hemmungen im Umgang mit Mitarbeitern und anderen Menschen fallen. So entstehen Spannungen, die für das Arbeitsklima enorm schädlich sind. Ein Grund für diese Spannungen ist wohl auch die Tatsache, dass die Servicemitarbeiter Trinkgeld bekommen, die Köche aber nicht. Schon daher war es mir immer ein Anliegen und mein über all die Jahre hinweg geübtes Prinzip, einen Teil des Erhaltenen weiterzuleiten und auch die Küche gut mit Trinkgeld zu bedenken. Zumeist habe ich sie sogar »über Gebühr« bedacht. Der Dank dafür war indes meist mäßig und kurz oder er blieb ganz aus.
Ich glaube, in meinem ganzen Leben hat mich kein Mensch so beleidigt und derart unflätig mit mir gesprochen, wie so mancher Koch in Aktion. Auch hier hat mir der Herrgott geholfen, und ich habe mir Jesu Worte aus der Bergpredigt zu Herzen genommen: »Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin« (Matthäus 5,39). Der Wiener Erzbischof König hat einmal sinngemäß gesagt: »Verlassen Sie sich auf die Kraft des stillen persönlichen Gebets und unterschätzen Sie sie nicht.« Das war mir ein lebenslanger roter Faden. Meine Lebens- und Überlebenshilfe.
Natürlich – und das möchte ich ausdrücklich betonen – sind nicht alle Köche so, wie hier von mir geschildert; es gibt unter den Köchen auch eine Menge angenehme Menschen, worüber ich immer sehr froh war und über die ich weiß Gott nicht klagen möchte. Für diese Köche fällt mir ein Zitat von Winston Churchill ein: »Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.«
Meine Wiener Liederabende
Wann i nimmer singen kann, lass i mi begraben …
Hans Weigel
Wie alles begann
Dr. Werner Teuffel hatte ein vierzigjähriges Firmenjubiläum sowie seinen sechzigsten Geburtstag zu feiern. Zu diesem Anlass sollte im Hotel Vier Jahreszeiten ein Fest mit hundertzwanzig Gästen stattfinden. Dr. Teuffel ist mir seit vielen Jahren als regelmäßiger Gast bekannt. Ein typischer Hamburger Kaufmann mit Anspruch, aber »pflegeleicht«. Kurz zuvor hatte er Brigitte geheiratet. Eine sehr hübsche, blonde, zauberhafte junge Wienerin.
Bei der Organisation des Festes kristallisierte sich heraus, dass etwa zehn Gäste Reden auf den Gastgeber halten würden und die kürzlich geehelichte Frau dabei sehr wenig zur Sprache kommen werde. Dergleichen ist für manche Gattin nicht gut. Sie könnte beleidigt sein. Das erkannte auch der Prokurist, mit dem ich den Ablauf besprach. »Was machen wir nun mit der Ehefrau?«, fragte er mich ratsuchend, worauf ich prompt antwortete: »Für die singe ich ein Wienerlied.« Ganz erstaunt wollte er wissen: »Können Sie das?« – »Bis jetzt noch nicht, aber wir haben ja noch vier Wochen Zeit«, war meine Antwort.
Natürlich wollte ich zu meinem Wort stehen und nahm die Sache in Angriff. Von Nils Owe Krack, heute Schauspieler am Ohnsorg-Theater, erhielt ich erste Gesangsstunden. Waldemar Saez-Eggers, ein Pianist, spielte in der Wohnhalle nachmittags zum Tee. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass er gut genug Noten lesen konnte, um vom Blatt zu spielen, einigten wir uns auf ein Programm. Drei Wienerlieder sollten es sein: das Wiener »Fiakerlied«, »Beim Burgtor am Michaelerplatz« und »Tauben vergiften im Park«.
Nach einigen Tagen
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