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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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dafür.
    «April, April», sagte die Hexe.
     
    Es hat keiner was gemerkt. Auch nicht die Klugscheißer, die hinterher mit weisem Kopfnicken behaupteten, sie hätten es von Anfang an kommen sehen.
    Wir waren alle blind.
    Papa wäre am liebsten selber bei den Nazis eingetreten. Wenn sie ihn denn genommen hätten. «Wie sie über die Judskis herziehen, das ist natürlich übertrieben», meinte er. «Aber sonst? Nichts gegen zu sagen. Wenn bloß der Heitzendorff sich nicht so aufspielen würde.»
    «Da reden sie immer von Ordnung», sagte Mama und machte ihr spitzes Pensionatsmündchen, «aber was ist das für eine Ordnung, wenn einem der Portier die Kohlen nicht mehr auf die Etage bringt? Bei dem kalten Wetter.»
    «Wird sich alles einrenken», sagte Papa. «Das ist der Überschwang der ersten Begeisterung.»
    Ich wollte witzig sein und sagte: «Das einzige, wofür sich der Heitzendorff begeistern kann, ist die Hausordnung.» Ha ha ha.
    Sie haben sauber ausgefegt.
    «Endlich mal was Großes», sagte der Jannings. «Es hat in diesem Land viel zu lang nichts mehr wirklich Großes gegeben.» So wie er sich dabei in Pose stellte, war zu vermuten, dass er sich selber damit meinte.
    «Für die Fliegerei ist es gut.» Das einzige, was den Rühmanninteressierte. «Wahlkampf mit Flugzeug», sagte er, «das ist doch mal was. Da würde ich am liebsten selber Reichskanzler werden.» Aber er hätte keine Chance gehabt, bei aller Beliebtheit. Das armselige kleine Kaninchen hat ihn ein Kritiker genannt, und es war keine Zeit für Kaninchen. Es war eine Zeit für Wölfe.
    Die wir für Schoßhunde gehalten haben. Die schon jemand vertreiben würde, wenn sie allzu lästig kläfften. Lustig haben wir uns über sie gemacht.
    «Ich bin Schwergewichtsweltmeister», sagte der Schmeling. «Mir kann egal sein, wer unter mir Deutschland regiert.»
    Der kleine Korbinian lachte sein Untergebenen-Lachen und fand den Spruch ganz toll.
    Überhaupt: die Nazi-Gegner hatten alle guten Pointen. Aber Lächerlichkeit tötet nicht. Oder den Falschen. Der glaubt, man könne mit Witzen gegen Waffen antreten.
    Nur Otto Burschatz fand an den Nazis nichts zu lachen. Sie waren ihm unheimlich. «Weil man nur in den Verein eintreten muss, und schon ist man Vorgesetzter. Dabei wissen wir doch noch aus dem Krieg: Am Schluss schikanieren sie die Mannschaft.»
    «Ich hab schon mal eine Auswahl ihrer Uniformen für den Fundus bestellt», sagte der von Neusser. Als Produktionsleiter war er ein Immer-an-alles-Denker. «Irgendwann werden sie ihre eigenen Filme drehen wollen.»
    In denen ich Regie führen soll.
    «Man ist besser mit dabei», sagte die Ufa-Kantine. «Der Hugenberg unterstützt die, und der hat noch nie falsch investiert.»
    Der Alemann lächelte nur. Er hatte sich schon lang sein Parteiabzeichen besorgt, trug es aber vorläufig noch unter dem Revers. Sicher ist sicher.
    «Ich habe keine Zeit für solche Kindereien», sagte ich. «Ich muss Filme machen.»
    Ich muss einen Film machen.
    «Ich mag die Leute nicht», sagte Olga. «Sie sind schmuddelig. Wenn sie ihre Reden halten, dann ist das, wie wenn einer zum Röntgen kommt und hat die Unterwäsche nicht gewechselt.»
    Sie hatte das richtige Gefühl – Olga hat immer das richtige Gefühl –, aber auch sie konnte sich nicht vorstellen, wo alles noch hinführen würde. Man kann sich Theresienstadt nicht vorstellen.
    Vorahnungen, ja, die haben wir gehabt. Nur haben wir sie uns selber nicht geglaubt. Nicht wirklich. «Vielleicht wird man Deutschland verlassen müssen», sagte der Kortner einmal.
    «Wohin willst du gehen?», fragte der Lorre.
    «Nach Österreich. Solang es dort den Reinhardt gibt, wird keiner von uns arbeitslos.»
    Nur dass es schon bald keinen Reinhardt mehr gab und kein Österreich.
    Wenn es durchs Dach tropft, stellt man einen Eimer drunter. «Morgen ruf ich den Klempner», sagt man. Wer kommt schon auf den Gedanken, dass das ganze Gebäude einstürzen könnte?
     
    Ein Kurier aus dem Zentralsekretariat. Sie haben dort Kuriere und Schreibmaschinen und Sekretärinnen. Wie eine richtige Verwaltung. Als ob sie wirklich etwas zu bestimmen hätten. Wenn man sie ließe, würden sie sich Uniformen schneidern lassen.
    Ich soll zu Eppstein kommen, jetzt sofort. Nicht in zehn Minuten. Auf der Stelle. Er hat eine wichtige Information für mich.
    «Geht es um Leben und Tod?», frage ich. Der junge Mann mit der Armbinde merkt die Ironie nicht und nickt eifrig. Er ist ein Idiot. In Theresienstadt geht es

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