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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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Bekannt, ja, beliebt auch, aber keiner von denen, die einen den Darsteller hinter seiner Figur vergessen lassen. Kein Jannings oder George. Vielleicht hat der Brecht ja recht, und ich bin wirklich nur einer von der Revue. Ein Tingeltangelmann. Ein singender Bauch.
    Egal. Wenn ich Regie führe, bin ich mehr als das.
    Ich werde es tun. Ich werde meine Bedingungen stellen. Gelbe Rosen in der Garderobe. Ich werde noch einmal im Leben Regisseur sein. Wenn es das letzte Mal ist, dann ist es eben das letzte Mal.
    Es gibt keinen schöneren Beruf.
    Im Wintergarten ist einmal ein Artist aufgetreten, der stand mit einem Bein auf dem Schlappseil und ließ um das andere bunte Ringe kreisen, jonglierte drei Bälle, spielte Blockflöte und balancierte auf dem Kopf eine Kaffeekanne. So ist Regieführen. Auf unmögliche Art vergnüglich und auf vergnügliche Art unmöglich.
    Natürlich, man macht es nicht allein. Filme sind komplizierte Maschinen, an deren Konstruktion viele Leute mitarbeiten. Spezialisten. Handwerker der verschiedensten Berufe. Aber der Regisseur ist der Ingenieur. Er sorgt dafür, dass all die Gestänge und Zahnräder richtig ineinandergreifen, dass sie sich gegenseitig antreiben und nicht behindern, dass sich alles fehlerfrei dreht und bewegt, so selbstverständlich, dass man die Mechanik nicht merkt, dass jeder Betrachter das Gefühl haben muss, das sei ja alles ganz einfach.
    Das ist das Schwierige daran, und darum macht es solchen Spaß.
    Ich habe wunderhübsche Maschinchen gebaut. Meisterwerke der Feinmechanik. Nur was sie eigentlich produzierten, darum habe ich mich nicht groß gekümmert. Das habe ich von mir weggeschoben.
    Schon damals.
     
    Die Ufa war ein Produktionsbetrieb für Lügen. Illusionen en gros und en détail. Ob Babelsberg oder Theresienstadt: Stadtverschönerung hier, Stadtverschönerung dort.
    Nur: Bei der Ufa machen die Schauspieler freiwillig mit.
    Wir haben so gut gelogen, dass die Leute an der Kinokasse Schlange standen. Wenn auch Otto Burschatz sagte: «Was wir produzieren, ist die pure Scheiße. Aber mach dir nichts draus, Gerson. Bei dir ist sie wenigstens sauber gequirlt.»
    Kurt Gerron: der beste Scheiße-Quirler des deutschen Kinos.
    Ich habe immer Qualität geliefert. Das kann mir keiner nehmen. Reelle Ware fürs Geld. Sorgfältig bemalt, in den Farben der Saison. Unzerbrechlich und stoßfest. Habe produziert, was bestellt war. Geschichten erzählt, die nur erfunden wurden, damit sie glücklich enden konnten. Wer das wahre Leben kennt, will im Kino Happy End. Die Wirklichkeit war nur dazu da, um den Puderzucker eines Lachers darüberzupusten. Damit sie vor Vergnügen strampelten im Gloriapalast. In einer Zeit, wo das ganze Land pleiteging, buchstabierten wir bankrott , als ob es kein lustigeres Wort geben konnte. B wie Bettler, A wie alte Schulden, N wie niemand zahlt . Mein Text. Meine Rolle. Hier könnten wir stattdessen Hunger buchstabieren. H wie hilflos, U wie unterernährt, N wie nichts zu fressen. Und dann ein fröhliches Liedchen singen. Das hat schon bei der Ufa von miesen Drehbüchern abgelenkt. Man könnte die gleichen Titel nehmen wie damals. Es wird schon wieder besser, es wird schon wieder besser, irgendeinmal muss es uns doch besser gehn. Das Orchester so lang auf die Jazz-Pauke hauen lassen, bis die Leute im Kino dran glauben.
    Bis wir alle dran glauben müssen.
    Der Ufa habe ich geholfen, die Wirtschaftskrise wegzulügen. Für Karl Rahm werde ich aus Theresienstadt ein Paradies machen. Zuckerguss hier, Zuckerguss dort. Einen anderen Regisseur würden sie im Lager vielleicht finden. Aber bestimmt keinen perfekteren Illusionisten.
    Ich bin ein wirklich guter Lügner. Manchmal gelingt es mir beinahe, mich selber zu überzeugen.
    Irgendeinmal muss es uns doch besser gehn. Tschingbumm.
    Ich weiß nicht mehr, wie die Filme alle hießen. Sie geraten mir durcheinander. Als ob ich sie nur im Kino gesehen hätte, vor langer Zeit. Als ob sie alle dasselbe Drehbuch gehabt hätten. Ein einziger langer Streifen, in dem immer wieder dasselbe passierte. Es passierte ja auch immer dasselbe. Einmal mit dem Fritsch und einmal mit dem Rühmann, mit der Nagy und der Dolly Haas. Immer derselbe Kreislauf. Mit einem Offenbarungseid fängt es an oder mit einem Bankrott, und dann kommt irgendein unwahrscheinlicher Zufall, oder die Helden haben eine verrückte Idee, die gar nicht gehen kann und natürlich doch geht, dann verwickelt es sich noch ein bisschen hin und ein bisschen her, und

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