Gesammelte Wanderabenteuer
ich, aufrecht abwärtszugelangen. So wie ich das bei hochalpinen Meistern gesehen hatte, ging ich seitwärts. Dabei musste ich meine Wanderschuhe kräftig in den Schnee stoßen, um etwas Halt zu haben.
|287| Technik 3 (Die Geländer-Variante)
Wenn ein Holzgeländer seitlich entlanglief, packte ich es fest unter meinen rechten Arm und ließ mich hinuntergleiten. Diese Technik machte am meisten Spaß, tat aber bald unter den Achseln weh und führte zu einem größeren Loch in meiner Jacke.
Technik 4 (Die Senioren-Variante)
An einigen Stellen gab es unter den Holzstufen und dem Eis einen kleinen Zwischenraum. Dann konnte ich meine Wanderstiefelspitze rückwärts gehend unter die Stufen rammen. Der Nachteil dieser Variante: Sie war sehr sicher, aber ungeheuer zeitaufwändig. Daher wechselte ich zwischen dieser Variante und den schnelleren Techniken wie der Rodel-Technik und der Geländer-Technik ab.
Zum Kuhstall führen breite Forstwege. Wege, die ich normalerweise nicht so mag und auch schon mit Todesverachtung als »Wanderautobahnen« beschrieben habe. Aber als Alternative zu dem hinter mir liegenden Abstieg und dem schmalen Weg an den Affensteinen zuvor war es die pure Erholung und sorgte für erhöhte Glückshormon-Ausschüttung. Stressendorphine hatte ich vorher reichlich, die brauchte ich nicht mehr. Jetzt verspürte ich Wanderer-Glück auf einem ausgesprochen langweiligen Weg.
Der Kuhstall ist ein höhlenartiges Felsgebilde und annähernd so berühmt wie die Bastei oder das böhmische Prebischtor. Angeblich kommt der Name daher, dass böhmische Raubritter hier gestohlene Kühe versteckt hielten. Was sie dann dort mit den Kühen anstellten, weiß ich nicht. Haben sie die Rindviecher weiterverkauft, geschlachtet oder gemolken? Mir war der Zutritt zum Kuhstall jedenfalls verwehrt, |288| weil nur eine vereiste Treppe dort hinaufführte. Und bergan fiel mir überhaupt keine Fortbewegungstechnik mehr ein, außer einer Halsbrech-Variante.
Unweit des Kuhstalls erreichte ich das Kirnitzschtal, wo ich an der Lichtenhainer Mühle mit dem Lichtenhainer Wasserfall vorbeikam. Der Wasserfall war eingefroren, als habe ihn eine Eishexe binnen eines Sekundenbruchteils zur toten Masse verzaubert.
Dort wartete ich auf die Straßenbahn, die seit 1898 verkehrt und eine reine Wanderstraßenbahn ist. In diesem Tal gibt es nämlich nichts außer ein paar gastronomischen Betrieben und Mühlen. 1898 liefen in anderen deutschen Mittelgebirgen, wie zum Beispiel in der Eifel, nur absolute Exoten und Außenseiter freiwillig durch die Wälder. In der Sächsischen Schweiz schien sich der Bau einer Straßenbahn schon damals gelohnt zu haben, um die Wanderer nach Bad Schandau zu befördern.
Mit 30 Stundenkilometern fuhr ich gemütlich zurück. Wenn man gesund in der Zivilisation angekommen ist, denkt man immer, was soll es, war doch alles ganz schön. Ich weiß aber nicht, ob ich die Sächsische Schweiz als Winterwandergebiet empfehlen kann. Ich überlege kurz – nein, kann ich nicht. Wandern Sie doch bitte im Winter auf breiten Forstwegen durch die Wälder. Von denen gibt es ja nun wirklich reichlich in unseren deutschen Mittelgebirgen, und mit ein bisschen Schnee gewinnen auch die an Attraktivität. Aber die schmalen und auch ohne Schnee und Eis nicht ungefährlichen Pfade im Elbsandsteingebirge sollte man doch eher zu den Jahreszeiten erwandern, die auf dem Treppchen oben stehen: Herbst, Frühling, Sommer.
|289| Aufführungslänge
18 Kilometer
Aufführungsdauer
5 Stunden und 38 Minuten mit einer 20-minütigen Pause
Programmheft
»Rad- und Wanderkarte Nationalpark Sächsische Schweiz«, 1:30.000
|290|
Rheinsteig-Loreley
|291| Der Rhein
EIN LUSTSPIEL MIT CHÖREN
Personen
Markus
Mein bester Freund und Deutschlehrer
Jane
Eine englische Sketch-Malerin des 19. Jahrhunderts
Zwei Wanderer mit blöden Hüten
Eine gepiercte Loreley
Schauplatz ist der Rhein zwischen Kaub und Kester, die Zeit Oktober 2005.
10 Minuten, 20 Minuten, 25 Minuten, 30 Minuten, 40 Minuten. Die Ansagestimme auf dem Koblenzer Hauptbahnhof und die Anzeigetafel auf Gleis 109 wetteiferten miteinander, wer die längere Verspätungszeit der Regionalbahn Richtung Wiesbaden verkünden durfte. Wegen eines »Personenschadens in Höhe von Niederlahnstein« hatte der Zug schließlich 50 Minuten Verspätung. Zunächst ist man ja immer ein bisschen geschockt, dass an den Gleisen jemand zu Schaden gekommen ist. Wenn man dann aber fast
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