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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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sketch«, übersetzt also: »Es ist eine Zeichnung.« Jetzt fragte der eine Rheinländer den anderen Rheinländer: »Häst do verstanden, watt die jesagt hätt?« – und der andere sagte: »Na klar, datt iss Kitsch.« Und so entstand der Legende nach der Begriff Kitsch.
     
    Von unserem Rastplatz aus konnten wir in aller Ruhe schon mal zur Loreley hinüberschauen. Unterhalb der 132 Meter |299| hohen Loreley befindet sich die schmalste und tiefste Stelle des Mittelrheintals an einer Flussbiegung mit Stromschnellen und aus dem Wasser ragenden Felsen. Noch heute ist es für Rheinschiffer eine heikle Stelle und erfordert all ihre Navigationskünste. In vergangenen Jahrhunderten hatte hier so mancher Schiffer und Flößer seinen Kahn versenkt. Und da es natürlich nicht an der Unfähigkeit des jeweiligen Kapitäns liegen konnte, war mal wieder das Weib schuld. Daher erfand man eine Langhaarblondine, die die Schiffer ins Unglück führte. Ich war beeindruckt, dass Markus, der alte Deutschlehrer, sich perfekt auf den heutigen Tag vorbereitet hatte und Heines Loreley-Gassenhauer auswendig deklamieren konnte:
    Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
    Dass ich so traurig bin;
    Ein Märchen aus alten Zeiten,
    Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
     
    Die Luft ist kühl und es dunkelt,
    Und ruhig fließt der Rhein;
    Der Gipfel des Berges funkelt
    Im Abendsonnenschein.
     
    Die schönste Jungfrau sitzet
    Dort oben wunderbar;
    Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
    Sie kämmt ihr goldenes Haar.
     
    Sie kämmt es mit goldenem Kamme
    Und singt ein Lied dabei;
    Das hat eine wundersame,
    Gewaltige Melodei.
     
    |300| Den Schiffer im kleinen Schiffe
    Ergreift es mit wildem Weh;
    Er schaut nicht die Felsenriffe,
    Er schaut nur hinauf in die Höh.
     
    Ich glaube, die Wellen verschlingen
    Am Ende Schiffer und Kahn;
    Und das hat mit ihrem Singen
    Die Lore-Ley getan.
    Nach unserer Rast wollten wir so schnell wie möglich zur Loreley. Zunächst aber führte uns der Rheinsteig etwas vom Fluss weg. Plötzlich stand einsam auf einer Wiese ein freistehendes Bauernhaus. Mein Bauchgefühl sagte mir: jetzt rechts gehen, aber das weiße »R« auf blauem Grund wies den Weg geradeaus. Nun hatten wir uns heute schon einmal verlaufen, sodass wir wie brave Schüler den Markierungen folgten. Ein erneuter Aussichtspunkt war das Ziel, ohne dass man mehr gesehen hätte als von der Wanderhütte »Alte Burg«. Dann ging es wieder landeinwärts, und wir kamen zu dem einsam gelegenen Bauernhaus, nur von der anderen Seite. Der Rheinsteig macht also eine ziemlich unsinnige Schleife von gut einem Kilometer. Unter »Wandern auf hohem Niveau« hatte ich mir etwas anderes vorgestellt, als im Kreis zu gehen. Es gibt viele tolle Aussichten auf diesem Wanderweg, und es wäre nicht mal aufgefallen, hätte man diese ausgelassen. Ich schlage als sogenannte Andrack-Variante vor, an dem Bauernhaus rechts zu gehen. 50 Meter weiter stößt man dann wieder auf den Rheinsteig.
     
    An den Busparkplätzen auf der Loreley allerdings führt kein Weg vorbei. Und wie gute Bustouristen steuerten wir den Andenkenladen an, mit jeder Menge kunstgewerblichen |301| Spitzenprodukten, die das Angebot eines normalen Souvenirladens bei Weitem übertrafen:
Regenschirme
Etageren (diese dreistöckigen Dinger, auf denen Omi die Plätzchen serviert)
Flaschenöffner
Pistolen
Eine Stofftasche mit Weinmotiv und dem Aufdruck: »Meine Leute waren am Rhein, und das Einzige, was sie mir mitgebracht haben, war diese Scheiß-Tasche«
Teelöffel-Service
Schneekugel
Weizenbierglas (ich habe mir eines für 5,50 Euro gekauft, leider ist es in der Spülmaschine kaputtgegangen)
|302| Skatspiel
Bierdeckeluntersetzer
Schnaps »Tränen der Loreley«
Nackige Loreleys:
Modell 1: mit zusammengefalteten und verschlungenen Beinen im Stile der kleinen Meerjungfrau
Modell 2: ziemlich unzüchtig mit gespreizten Schenkeln (Zwei Seniorinnen einer französischen Reisegruppe konnten sich nicht einigen, welches Modell sie erwerben wollten, und trieben inklusive Sprachbarriere die Verkäuferinnen in den Wahnsinn.)
    |301|

    |302| Dass ich eben so ausführlich über das Wort »Kitsch« und seine Herkunft erzählt habe, liegt daran, dass mich die Herkunft von Wörtern immer schon interessiert hat. Leicht ist es bei Lehnwörtern. Das französische »Le Waldsterben«, der amerikanische »kindergarden«, das türkische »haymatlos« und das russische »ziferblat« sind eindeutig deutschen Ursprungs. Aber aus welchen Wortstämmen leiten sich

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