Gesammelte Werke 1
ich ihm ausführlicher von Ihnen erzählen sollen, aber mir war nicht danach. Ich weiß nicht, warum, aber mir schien, als würde ich ihn nie wiedersehen …«
2. JUNI’78
Ein kurzes Gespräch
Seine Exzellenz war zu Hause. Er trug einen strengen schwarzen Kimono, saß hinter seinem Schreibtisch und widmete sich seiner Lieblingsbeschäftigung: Er betrachtete unter der Lupe eine der hässlichen kleinen Statuetten, die er sammelte.
»Exzellenz«, sagte ich, »ich muss wissen, ob Lew Abalkin auf der Erde mit noch jemandem Kontakt aufgenommen hat.«
»Hat er«, sagte Seine Exzellenz und blickte mich, wie mir schien, interessiert an.
»Darf ich erfahren, mit wem?«
»Darfst du. Mit mir.«
Ich war sprachlos. Seine Exzellenz wartete einen Moment und befahl dann: »Berichte.«
Ich berichtete: die beiden Gespräche wörtlich, meine Schlussfolgerungen in Kurzfassung, und am Ende fügte ich hinzu, dass meiner Meinung nach für die nächste Zeit Begegnungen
Abalkins mit Komow, Rowlingson und Gorjatschow zu erwarten seien sowie mit weiteren Personen, die auf die eine oder andere Weise in Beziehung zu seiner Arbeit mit den Kopflern gestanden hatten. Und auch ein Treffen mit diesem Doktor Serafimowitsch - dem damaligen Vorsitzenden der Kommission für Berufslenkung. Da Seine Exzellenz schwieg und nicht den Kopf senkte, erlaubte ich mir eine Frage: »Darf ich erfahren, worüber er mit Ihnen gesprochen hat? Ich bin sehr erstaunt, dass er sich überhaupt bei Ihnen gemeldet hat.«
»Du bist sehr erstaunt … Ich auch. Aber es hat kein Gespräch zwischen uns gegeben. Er hat dasselbe gemacht wie bei dir: das Bild nicht eingeschaltet. Hat mich ein wenig angesehen, wahrscheinlich erkannt und dann die Verbindung unterbrochen.«
»Warum glauben Sie, dass er es war?«
»Weil er mich über einen Kanal angerufen hat, der nur einem einzigen Menschen bekannt ist.«
»Dann hat vielleicht dieser Mensch …«
»Nein, das ist ausgeschlossen … Und was deine Hypothese angeht, so trifft sie nicht zu. Aus Lew Abalkin ist ein hervorragender Resident geworden, er liebt diese Arbeit und würde sie um keinen Preis gegen eine andere eintauschen.«
»Obwohl nach dem Typus der nervlichen Konstitution eine Arbeit als Progressor für ihn…«
»Das fällt nicht in deine Kompetenz«, sagte Seine Exzellenz scharf. »Lass dich nicht ablenken. Zur Sache. Den Befehl, Abalkin ausfindig zu machen und unter Beobachtung zu nehmen, hebe ich auf. Folge ihm auf seiner Spur. Ich will wissen, wo er sich aufhält, mit wem er sich trifft und worüber er spricht.«
»Verstanden. Und wenn er mir trotzdem einmal begegnet?«
»Dann lässt du dir ein Interview für dein Buch geben. Und berichtest mir anschließend. Nicht mehr und nicht weniger.«
2. JUNI’78
Etliches über Geheimnisse
Gegen 23:30 Uhr duschte ich mich kurz, warf einen Blick ins Schlafzimmer und sah, dass Aljonna tief und fest schlief. Dann kehrte ich ins Arbeitszimmer zurück.
Ich beschloss, mit Wepl zu beginnen. Da er bekanntlich kein Erdenmensch war und nicht einmal ein Humanoid, brauchte ich meine ganze Erfahrung und - in aller Bescheidenheit gesagt - sämtliche Raffinesse beim Umgang mit Informationskanälen, um an die Daten zu kommen, die ich schließlich erhielt. Am Rande möchte ich bemerken, dass die große Mehrheit der Menschen auf unserem Planeten keine Ahnung von den Möglichkeiten dieses achten (oder nun schon neunten?) Weltwunders hat - des Großen Gesamtplanetaren Informatoriums - GGI. Und es ist durchaus möglich, dass auch ich - bei all meiner Erfahrung und Raffinesse - nicht für mich in Anspruch nehmen kann, sein unermessliches Gedächtnis vollständig ausschöpfen zu können.
Ich gab elf Anfragen ein - drei davon erwiesen sich als überflüssig - und erhielt im Ergebnis folgende Informationen über den Kopfler Wepl.
Sein vollständiger Name war Wepl-Itrtsch. Seit dem Jahre’75 bis zum heutigen Tag war er Mitglied der Ständigen Mission des Volkes der Kopfler auf der Erde. Nach den Funktionen zu urteilen, die er im Verhältnis zur irdischen Administration ausübte, war er eine Art Übersetzungsreferent der Mission. Seine tatsächliche Position aber war unbekannt, denn die Verhältnisse innerhalb des Kollektivs der Ständigen Mission blieben für die Erdenmenschen ein Buch mit sieben Siegeln. Bestimmte Daten ließen zudem darauf schließen, dass Wepl einer Art Familienzelle innerhalb der Mission vorstand - einen Überblick über die Größe und Zusammensetzung
dieser Zelle
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