Gesammelte Werke
Diskussionsredner, die Beiträge vorbereiteten, mit Namen aufführen kann. Daß ich Ausnahmen mit unserem Ehrenpräsidenten, Leopold von Wiese, und mit den Herren Raymond Aron, Herbert Marcuse und Talcott Parsons mache, ist wohl legitim. Ihr Werk findet sich zu dem Max Webers in tiefer und genuiner, sei's auch antithetischer Beziehung. Die drei weltberühmten Gelehrten, die sich aus dem Ausland hierher bemühten, haben dadurch, daß sie gekommen sind, was uns hier vereint, gleichsam sanktioniert.
Nur ein anderer Ausdruck für den Ernst dessen, was Sie von den Beiträgen zu erwarten haben, ist, was auch Herr Stammer betonte, daß die Fruchtbarkeit Max Webers nicht in einer Max-Weber-Schule oder -Nachfolge sich erweist. Webers leidenschaftliche Sachlichkeit hätte das am letzten sich gewünscht. War etwas für ihn charakteristisch, dann, daß in vielen Bereichen seine eigenen wissenschaftlichen Funde ihn weit hinaustrieben über die methodologischen Positionen, die er von sich aus einnahm. Er selber gab das Modell dafür, daß von ihm sich inspirieren zu lassen nicht heißt, zu wiederholen oder breitzutreten, was er entwickelte. Max Weber hat, in allem Bewußtsein auch der gesellschaftlichen Problematik, die darin eingeschlossen ist, an der ratio festgehalten. Dem ist treu, wer der immanenten Logik der Sache selbst sich stellt, anstatt aus Weber, wie man es so gern tut, einen bloßen Gesinnungsheros zu machen. Seine Aktualität besteht nicht zuletzt in kritischer Einsicht. Er erkannte manche Aporien und Schwierigkeiten, die seine Theorien aufgeworfen haben, als solche der gesellschaftlichen Realität. Die tödlichste, die Verfestigung bürokratischer Herrschaft, hat sich erst in den mehr als vierzig Jahren seit seinem Tode ganz entfaltet: zur verwalteten Welt. Darum uns zu kümmern, auch Kritik an Webers eigener Konzeption dieser Entwicklung zu artikulieren, ist eine der vordringlichsten Aufgaben unserer Tagung. Wir brauchen nicht zu befürchten, daß dort in bloße Geistesgeschichte abgeglitten wird, wo es in jedem Augenblick um die entscheidenden Perspektiven der gegenwärtigen realen Gesellschaft geht.
Daß dem Kongreß so großzügig von der Landesregierung Baden-Württemberg geholfen wurde; daß er, so möchte man fast sagen, staatlichen Charakter trägt, ist ein Symptom, dessen wir uns freuen. Politik, die eine ihrem eigenen Begriff nach kritische Wissenschaft wie die Soziologie nicht nur toleriert, sondern aktiv unterstützt, hat sich ja denn doch wohl glücklich von dem entfernt, was Max Weber als Wesen der Politik erfuhr: vom bloßen »Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung«. Ich empfinde es als schöne Paradoxie, daß die Solidarität des Staates mit einer Max Weber gewidmeten Veranstaltung eben dadurch in Widerspruch gerät zum Inhalt seiner politischen Philosophie. Man mag darin das Potential eines veränderten politischen Klimas spüren, in dem das Verhältnis des Staats zu den geistigen Dingen nicht in vorschriftsmäßiger Gesinnung sich erschöpft. Die Sympathie des demokratischen Staates gerade für die unter Hitler verfemte soziologische Wissenschaft spricht dafür, daß manche in den Ländern Verantwortliche den Staat nicht als bloßes, mehr oder minder formales Instrument zur Durchsetzung unerhellter Ziele und partikularer Interessen verstehen, sondern um das Verhältnis der Institutionen zum lebendigen gesellschaftlichen Inhalt, zur Verwirklichung von Vernunft und Freiheit sich bekümmern. Sie, und ein Staatswesen, dessen Exekutive sie sind, werden wissenschaftliche Analyse und Kritik der Gesellschaft nicht länger als eitlen Intellektuellensport betrachten, sondern als notwendig dafür, daß der Staat seine eigene Bestimmung erfüllt.
Wir alle wissen, daß Soziologie dem emphatischen Begriff, den das ihr verleiht, nicht durchaus entspricht und nicht durchaus entsprechen kann. Sentimental wäre es, wollte man darüber klagen, daß mit der Ausbildung immer ausgefeilterer Methoden und Techniken, mit der zunehmenden Etablierung der Soziologie als Spezialwissenschaft, viel von den kritischen Impulsen gelähmt wurde, die sie in ihren Anfängen beseelte und die Weber selbst mit seiner berühmten Forderung nach Wertfreiheit verdammte. In der Dogmengeschichte der Soziologie ist es seit Saint-Simon und Comte die Regel, daß im Zeichen der Entzauberung der Welt ein Forscher seinen Vorgänger einen Metaphysiker schilt; über diese Regel selber wäre nachzudenken. Uns allen
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