Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Effektor finde ich diese Form sehr sinnvoll. Außerdem haben nicht wir sie erfunden.«
»Wer dann?«
»Orang.«
Nina kaute auf ihrer Lippe und blickte zu Orang hinüber. Der fliederfarbene Tank mit dem Kettenantrieb machte einen friedlichen Eindruck.
»Sag mal«, begann Nina. »Wie ist das ›Gehirn‹ dieses Systems eigentlich aufgebaut? Doch nicht aus Halbleitern, oder?«
Akimow lachte. »Also doch neugierig geworden? Ich sag’s ja: einmal Ingenieur, immer Ingenieur.«
Doch Nina antwortete nicht.
Das SKYBEK war ein überaus komplexes System, das kontinuierlich die Umgebung sondierte und auf Veränderungen reagierte. Die Anforderungen an das Hauptprogramm bestanden folglich darin, die verschiedensten Informationen über die aktuelle Situation zu sammeln und zu übermitteln. Um ein solches System zu entwickeln, hatte man sich von den klassischen Formen kybernetischer Technik – von Halbleitern, porösen Polymer-Metall-Verbundwerkstoffen oder Hohlleiter-Anordnungen – verabschieden müssen. Ein grundsätzlich neuer Ansatz war nötig gewesen, und dieser bestand in der Verwendung komplexer quantenentarteter Kristalle, die, wenn man sie fast bis auf den absoluten Nullpunkt herabkühlte, je nach Eingangssignal bestimmte isomere Übergänge vollzogen. Außerdem hatte man Verfahren entwickelt, diese Übergänge zu erfassen und in Signale umzuwandeln, die an die Effektoren übertragen werden konnten.
Nina seufzte: »Nein, das ist mir zu kompliziert. Entartete Kristalle … isomere Übergänge …«
»Ich habe dir immer gesagt, dass du dich mit Theorie befassen sollst«, meinte Akimow belehrend.
»Und wann, bitte schön? Ich zeichne immerhin.«
»Ach ja, natürlich … Das hatte ich ganz vergessen.«
Er beugte sich zu ihr herab, nahm ihre Hände und legte sie an seine Wangen, die heiß und stachlig waren.
»Du solltest dich mal wieder rasieren«, flüsterte sie.
»Mhm.«
Er war selig vor Glück. Für immer zusammen, dachte er. Für immer.
Die fliederfarbenen Ungetüme starrten sie ehrfürchtig an, und Orang blinkte melancholisch mit seinen bunten Lämpchen.
»Warum haben sie eigentlich diese Farbe?«, fragte Nina.
Akimow zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Wären sie orange, würdest du fragen, warum sie orange sind. Das ist Orangs Entscheidung – heute Morgen waren sie gelb.«
Belustigt prustete Nina los, verschluckte sich und musste husten. Akimow klopfte ihr auf den Rücken.
»Ich meine das ganz ernst«, erklärte er. »Es ist ein sich selbst organisierendes System, dessen Parameter Orang festlegt. Welche Faktoren der jeweiligen Farbwahl zugrunde liegen, weiß nur er. Wir können darüber nur spekulieren. Vielleicht ist es ja wegen dir.«
»Was für ein dreister Kerl«, bemerkte Nina. »Was er damit wohl sagen will? Schließlich hätte er auch dich lila anmalen können. Oder gelb.«
Plötzlich musste sie wieder an Bykow denken und verstummte. Akimow saß mit geschlossenen Augen da und dachte an ihre weichen, warmen, starken Hände.
»Glaubst du denn«, fuhr Nina fort, »dass sie Bykow helfen werden? Glaubst du, er rechnet wirklich mit ihnen?«
»Davon gehe ich aus. Jedenfalls kommt er mit ihnen besser zurecht als ohne sie. Das Risiko ist kleiner. Zum Beispiel, wenn Bykow auf einem unbekannten Planeten landet. Man weiß ja im Voraus nichts darüber. Nicht einmal, ob er überhaupt existiert. Er landet also. Gut möglich, dass es dort Steine gibt, die explodieren, sobald man darauf tritt. Oder Ozeane aus Fluorwasserstoff. Oder elektrische Entladungen von Millionen Volt. Kurzum: Der Planet ist unbekannt und gefährlich. Also schickt Bykow erst einmal die Skybeks aus, zur Erkundung. Sie bringen alles in Erfahrung, erstatten Bericht und geben Empfehlungen ab, was die weiteren Schritte angeht. So stelle ich mir das vor.«
»Dann ist es natürlich sehr wichtig«, stellte Nina fest.
»Ja.«
Wenn Bykow sich überhaupt zur Landung entschließt, dachte Akimow. Wenn es dort überhaupt eine Möglichkeit gibt zu landen. Aber vor allem: Warum ist Bykow selbst gekommen? Warum nicht sein Kybernetiker?
»Ich fände es wirklich toll, wenn Bykow die Skybeks gefielen«, sagte Nina.
»Ich auch. Morgen wird er sie sich ansehen. Als eine Art Generalprobe schicken wirunsere Panurg’sche Herde durch das Graue Sumpfland. Zehn Kilometer voller Überraschungen und Abenteuer.«
»Was für Überraschungen?«
»Alle möglichen.« Er blickte auf die Uhr. »Kleines, wir haben noch ganze sechs Stunden!
Weitere Kostenlose Bücher