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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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ich ihm Tee nachschenkte.
    »Du hast mir schon ewig keinen Tee mehr gekocht.«
    »Erzähl von der Überbelastung«, drängte ich. »War sie sehr hoch?«
    »Die g-Kräfte waren … enorm«, antwortete er. »Wie soll man das erklären? Man muss es am eigenen Leib spüren.«
    »Enorm – eine höchst interessante und präzise Antwort. Bedeutet ›enorm‹ die drei- bis vierfache Erdbeschleunigung?«
    »Ja«, bestätigte er. Er saß gebeugt und blickte aufs Tischtuch.«
    »Walja!«
    Er reagierte nicht sofort. Wahrscheinlich hatte er etwas vor Augen, das ich nie zu sehen bekommen würde. Der offene Hemdkragen ließ seinen hageren Oberkörper frei, an dem die Schlüsselbeine hervorstanden.
    »Wir haben das großartig hinbekommen«, sagte er gedankenverloren. »Wir sind echte Sternenfahrer.«
    »Walja, wie habt ihr es geschafft, so bald zurückzukehren?«
    Er hob den Kopf und lächelte. Wieder bekam er leuchtende Augen.
    »Ich habe es unbedingt gewollt, Ru ž enka«, erwiderte er. »Ich liebe dich sehr. Deshalb bin ich so schnell zurückgekehrt. Ein bisschen Physik war natürlich auch im Spiel.«
    »Die Physik ist genau das, was mich interessiert«, sagte ich ungeduldig.
    »Was glaubst du denn, wie es funktioniert hat?«
    Nach der Schule hatte ich mich nie mehr mit Physik beschäftigt. Trotzdem gab ich mir alle Mühe, mein altes Schulwissen auszugraben.
    »Du hast gesagt, dass die lokale Flugzeit siebzehn Jahre betrug?«
    »Ja.«
    »Auf die Erde bezogen, wart ihr nur sechs Monate unterwegs«, fuhr ich unsicher fort. »Und eure Fluggeschwindigkeit bewegte sich im Grenzbereich der Lichtgeschwindigkeit. Die relativistischen Effekte waren also groß … Aber nach der speziellen Relativitätstheorie hätte doch genau das Gegenteil eintreten müssen. Auf der Erde hätte mehr Zeit vergehen müssen als auf eurem Schiff. Und außerdem … Moment mal, eigentlich ist die spezielle Relativitätstheorie hier gar nicht anwendbar. Ihr wart doch hohen g-Kräften ausgesetzt, also stets mit großer Beschleunigung unterwegs. Demnach befandet ihr euch ständig in einem Gravitationsfeld, richtig?«
    »Kluges Kind«, erwiderte er zärtlich. »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    Er lehnte sich über den Tisch, um mir die Hand zu küssen und warf dabei die Tasse um. Die Tasse rollte über das Tischtuch und hinterließ eine braune Teespur. Als Walja die Tasse wieder hinstellte, fiel sein Stuhl um.
    »Zum Henker damit«, fluchte er und trat mit dem Fuß dagegen. »Du hast den Kern der Sache erfasst, Ru ž enka. Mehr brauche ich dir nicht zu erklären. Du würdest es ohnehin nicht verstehen, arme Musenprinzessin.«
    Er hob den Stuhl nun doch wieder auf, setzte sich verkehrt herum darauf und stützte die Arme auf die Lehne.
    »Nur eines noch: Wie sich die Zeit in beschleunigt bewegten Systemen verhält, wusste vor uns kein Mensch. Es gab nur verschiedene Sonderfälle. Weißt du, wenn es heißt: ›Unter ganz bestimmten, speziellen Voraussetzungen in Bezug auf das Kraftfeld …‹ und so weiter. Wir dagegen wissen nun und haben empirisch bewiesen, dass man bei großen Beschleunigungen im Grenzbereich der Lichtgeschwindigkeit die Zeit steuern kann. Man kann es so einrichten, dass die Kosmonauten eines Raumschiffs, das nach hundert Jahren zur Erde zurückkehrt, während dieser Zeit nur um ein Jahr altern. So wird es Bykow und Gorbowski ergehen. Sie werden als junge Männer zurückkehren, während ihre Epoche auf der Erde längst Geschichte sein wird. Sie fliegen mit sehr geringer Beschleunigung. Wenn man dagegen so fliegt wie wir, ergibt sich der umgekehrte Effekt. Ein gealterter Raumfahrer kehrt zu seiner unverändert jungen Ehefrau zurück. Habe ich das nicht gut erklärt?«
    »Sehr gut«, bestätigte ich.
    »Bin ich nicht großartig?«
    »Und wie!«
    Jetzt war er wieder ganz der alte Walja Petrow. Er lachte vergnügt und war sehr stolz auf sich.
    »Bin ich nicht das Familienoberhaupt?«
    »Selbstverständlich!«, stimmte ich ihm zu.
    »Ist dir klar, wie fantastisch das alles ist?«
    Natürlich war mir das klar. Walja würde mich nie mehr für lange Zeit verlassen. Von seinen Expeditionen würde er zwar gealtert und hart wie ein Brett zurückkehren, aber dafür bald. Auch in Zukunft würden Myriaden von Welten, aber nie wieder Jahre zwischen uns liegen.
    »Morgen wird viel Besuch kommen«, fiel Walja plötzlich ein und streckte sich. Es war merkwürdig und ungewohnt zu sehen, wie er sich mit nur einem Arm streckte. »Außerdem muss ich zur

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