Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
andere wichtige Dinge.
Ja, dachte der Jäger, der noch immer vor dem Tier stand und dessen platten Kopf betrachtete, damals schien mir die Sache nicht gar so wesentlich zu sein. Ich hatte mich über Krux lustig gemacht, mit Lin gestritten und alles wieder vergessen. Später jedoch überkamen mich Zweifel … und mit ihnen die Gewissensbisse.
Krux organisierte damals zwei große Expeditionen. Er durchkämmte weite Gebiete auf dem Planeten, der seinen Namen trug, fand aber kein einziges Lebewesen, das größer gewesen wäre als ein fingerlanger Kleinkrebs. Dafür entdeckte er auf der südlichen Halbkugel auf einem Felsplateau einen unbekannten Startplatz für kleine Raumschiffe. Es handelte sich um einen kreisförmigen Fleck geschmolzenen Basalts mit einem Durchmesser von etwa zwanzig Metern. Zunächst stieß der Fund auf Interesse, doch bald schon stellte sich heraus, dass zwei Jahre zuvor irgendwo in dieser Gegend das Reparaturschiff von Sanders gelandet war, und der Fund geriet in Vergessenheit. Niemand dachte mehr daran – niemand außer mir. Zu dieser Zeit nämlich hatte ich schon die ersten Bedenken.
Sie kamen mir, als ich eines Tages im Leningrader Klub der Sternenflieger von der Geschichte des Bordingenieurs Adamow hörte, der auf der Krux um ein Haar bei lebendigem Leib verbrannt wäre. Adamow war mit einem defekten Sauerstoffbehälter von Bord gegangen. Der Behälter schlug leck; die Atmosphäre des fremden Planeten aber war mit leichten Kohlenwasserstoffen übersättigt, die auf den frei werdenden Sauerstoff reagierten. Glücklicherweise gelang es den Kameraden rechtzeitig, Adamow von dem lichterloh brennenden Behälter zu befreien, sodass er mit kleineren Verbrennungen davonkam. Ich hörte mir den Bericht an und sah vor meinem geistigen Auge wieder die violette Detonation über der schwarzen Felskuppe.
Als dann die Landestelle eines fremden Raumschiffs auf der Krux entdeckt wurde, verwandelten sich meine Zweifel in furchtbare Gewissheit. Ich stürzte zu Kostylin. »Was habe ich da getötet?«, schrie ich. »Ein Tier oder einen Menschen? Lin, ich will wissen, was ich getötet habe!« Kostylin hörte mir zu; eine tiefe Röte überzog sein Gesicht, dann brüllte er los: »Setz dich hin und hör auf, hysterisch herumzuschreien wie ein altes Weib! Du wagst es, mir eine solche Frage zu stellen? Glaubst du, ich, Alexander Kostylin, wäre nicht in der Lage, ein vernunftbegabtes Wesen von einem Tier zu unterscheiden?« – »Aber der fremde Startplatz!« – »Du selbst bist mit Sanders auf dieser Stelle gelandet!« – »Und die Explosion? Ich habe mit der Anästhesienadel seine Sauerstoffblase durchbohrt!« – »Dummkopf! Du hättest eben nicht mit einem Sprenggeschoss in einer Kohlenwasserstoffatmosphäre herumballern dürfen!« – »Selbst wenn dem so ist – Krux hat sonst keinen einzigen Vierhänder auf dem Planeten gefunden! Ich weiß genau, dass es ein fremder Sternenflieger war!« – »Waschlappen!«, tobte Kostylin. »Hysterisches Weib! Auf Krux’ Planeten werden sie wohl auch in hundert Jahren noch keinen Vierhänder finden. Dieser Planet ist riesengroß und von Höhlen durchfurcht wie ein Schweizer Käse! Du hattest einfach Glück, du Dummkopf, warst dann aber zu dämlich, es beim Schopf zu fassen, und hast mir statt eines Tieres nur verkohlte Knochen angeschleppt!«
Vor der Vitrine mit dem Tier presste der Jäger seine Hände so schmerzhaft zusammen, dass die Finger in den Gelenken knackten.
»Nein, Lin«, murmelte er vor sich hin. »Ich habe dir seinerzeit nicht die Knochen eines Tieres gebracht. Ich habe dir einen fremden Sternenflieger zu Füßen gelegt …«
Wie viele Worte hast du verschwendet, Lin! Wie oft hast du mich vom Gegenteil zu überzeugen versucht. Dann und wann glaubte ich sogar, die Zweifel für immer überwunden zu haben, endlich wieder atmen zu können, ohne mich als Mörder zu fühlen. Wie alle Menschen auf unserer Erde. Doch die Zweifel kommen immer aufs Neue, und sie lassen sich nicht vertreiben, auch nicht durch die spitzfindigste Logik.
Der Jäger legte die Hände gegen die Vitrine und presste sein Gesicht an das durchsichtige Plexiglas.
»Wer bist du?«, flüsterte er bekümmert.
Als er den Pavillon betrat, sah Lin ihn schon von Weitem, und wie immer empfand er unerträglichen Schmerz beim Anblick dieses einst so stolzen, starken Mannes, den das eigene Gewissen so zu Boden drückte. Doch er tat, als sei alles in bester Ordnung, so wunderbar wie der sonnige Tag in
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