Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
sagte: »Bleib, so lange du willst. Ich komme nicht so bald wieder.«
»Ich werde ein bisschen schlafen«, sagte Len.
3
Das Hotel »Olympic« hatte fünfzehn Etagen und war schwarz-rot gestrichen. Den Platz davor nahmen zur Hälfte parkende Autos ein, in der Mitte ragte in einem kleinen Blumengarten ein Monument auf, das einen Mann mit stolz erhobenem Haupt darstellte. Ich umrundete es einmal und begriff plötzlich, dass ich den Mann kannte. Überrascht blieb ich stehen und betrachtete ihn genauer. Ohne Zweifel. Dort, auf dem Platz vor dem Hotel »Olympic«, stand, in einem ulkigen altmodischen Anzug, die Hand auf einen merkwürdigen Apparat gestützt, den ich zunächst für die Fortsetzung des abstrakten Postaments hielt, Wladimir Sergejewitsch Jurkowski und richtete die zusammengekniffenen Augen verächtlich in die Unendlichkeit. Auf dem Postament war mit Goldbuchstaben eingemeißelt: »Wladimir Jurkowski, 5. Dezember, Jahr der Waage«.
Ich glaubte es nicht, denn das war völlig unmöglich. Jurkowski und seinesgleichen wurden keine Denkmäler errichtet. Solange sie lebten, gab man ihnen mehr oder weniger verantwortungsvolle Posten, ehrte sie bei Jubiläen und wählte sie in Akademien. Sie empfingen Orden und internationale Preise. Und wenn sie starben – oder umkamen –, schrieb man Bücher über sie, zitierte sie, bezog sich auf ihre Arbeiten, doch je länger es zurücklag, desto seltener geschah es, und schließlich waren sie vergessen. Sie schwanden aus dem Gedächtnis und blieben nur in Büchern zurück. Jurkowski war ein General der Wissenschaft und ein wunderbarer Mensch gewesen. Doch es war unmöglich, sämtlichen Generälen und wunderbaren Menschen Denkmäler zu setzen, noch dazu in Ländern, zu denen sie keine unmittelbare Beziehung gehabt hatten, und in Städten, die sie höchstens auf der Durchreise besucht hatten. Und in diesem Jahr der Waage war Jurkowski nicht einmal General gewesen: Im März hatte er gemeinsam mit Dauge die Erforschung des Amorphen Flecks auf dem Uranus beendet, und in unserem Arbeitsraum war eine Bombensonde explodiert; alle trugen Verletzungen davon, und als wir im September auf den Planeten zurückkehrten, war Jurkowski von fliederfarbenen Flecken übersät. Grimmig hatte er angekündigt, er werde tüchtig schwimmen, in der Sonne liegen und sich dann an eine neue Bombensonde machen, weil die alte Mist gewesen sei … Ich schaute mich nach dem Hotel um. Mir blieb nur die Schlussfolgerung, dass sich das Leben der Stadt in mysteriöser und anscheinend starker Abhängigkeit von dem Amorphen Fleck auf dem Uranus befand. Oder befunden hatte … Jurkowski lächelte hochmütig. Im Großen und Ganzen war die Skulptur gelungen, doch war mir unklar, worauf sich Jurkowski da stützte. Mit einer Bombensonde hatte der Apparat jedenfalls keine Ähnlichkeit.
Etwas zischte. Ich wandte den Kopf und trat unwillkürlich beiseite. Neben mir stand ein hochgewachsener hagerer Mann, der stumpfsinnig auf das Postament starrte; er war von den Füßen bis zum Hals grau geschuppt und trug einen plumpen kubischen Helm auf dem Kopf. Vor dem Gesicht hatte er ein durchsichtiges Visier mit Löchern, und aus den Löchern traten im Takt seines Atems Dampfstrahlen. Das Gesicht hinter dem Visier sah erschöpft aus, war schweißüberströmt, die Wangen zuckten. Zunächst hielt ich ihn für einen Fremden, dann dachte ich, er sei ein Kurgast, dem spezielle Heilverfahren verordnet worden wären, und erst allmählich dämmerte mir, dass ich einen Artik vor mir hatte – einen Künstlichkeitsfan.
»Verzeihung«, sagte ich. »Können Sie mir vielleicht sagen, was das für ein Denkmal ist?«
Das schweißnasse Gesicht hatte sich zur Grimasse verzerrt. »Was?«, drang es dumpf aus dem Helm.
Ich beugte mich vor. »Ich frage, was das für ein Denkmal ist!«
Der Mann starrte wieder das Postament an. Dichterer Dampf entquoll den Löchern. Das Zischen wurde intensiver.
»Wladimir Jurkowski«, las er vor. »Fünfter Dezember, Jahr der Waage … Aha … Dezember … Dann ist das ein Deutscher.«
»Und wer hat das Denkmal errichtet?«
»Keine Ahnung«, sagte der Mann. »Das steht nicht da. Warum wollen Sie das wissen?«
»Er ist ein Bekannter von mir«, erklärte ich.
»Warum fragen Sie dann mich? Fragen Sie doch ihn!«
»Er ist tot.«
»Ach so … Vielleicht ist er hier beerdigt?«
»Nein«, sagte ich. »Er ist weit weg von hier beerdigt.«
»Und wo?«
»Weit weg! Und was ist das, worauf er sich da
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