Gesammelte Werke 6

Identifikation, aufgeschoben.
    Der Große Runde Stempel trat nicht in Aktion, und ich seufzte erleichtert auf. Konstantin aber, der nicht mehr durch blickte und dem die Sache allmählich zu dumm wurde, spuckte – auf sehr vertraute Weise – demonstrativ aus und verschwand.
    »Das ist eine Entgleisung!«, schrie Chlebowwodow freude strahlend. »Haben Sie das gesehen? Den ganzen Fußboden hat er vollgespuckt!«
    »Es ist empörend«, stimmte Farfurkis zu. »Ich qualifiziere das als eine Beleidigung.«
    »Sag ich doch: Gauner!«, meinte Chlebowwodow. »Wir müssen die Miliz einschalten, sollen sie ihm ruhig mal fünfzehn Tage aufbrummen – da kann er mit seinen vier Armen die Straße fegen!«
    »Nein, Genosse Chlebowwodow«, widersprach Farfurkis. »Das ist kein Fall mehr für die Miliz. Sie unterschätzen diese Angelegenheit. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Öffentlichkeit und der Administration. Der Mann gehört vors Gericht!«
    Lawr Fedotowitsch schwieg sich aus, aber seine kurzen sommersprossigen Finger glitten aufgeregt über den Tisch, als suche er einen besonderen Knopf oder das Telefon. Das Ganze roch nach einem politischen Delikt. Wybegallo, dem Konstantins Schicksal piepegal war, sagte weder muh noch mäh. Ich räusperte mich und bat um Gehör, das mir, wenn auch nicht allzu bereitwillig, gewährt wurde – schon funkelten die Augen, schon sträubten sich die Haare, schon waren die Hauer gefletscht und die Krallen gewetzt.
    Bemüht, meinen Worten größtmögliches Gewicht zu geben, erinnerte ich die Troika daran, dass es angezeigt sei, galaktozentrische, keineswegs aber anthropozentrische Positionen zu vertreten. Ich wies darauf hin, dass Sitten und Gefühlsäußerungen bei Bewohnern anderer Planeten stark von den unseren abweichen können und müssen. Dabei bemühte ich die hinlänglich bekannte Analogie der Bräuche verschiedener Stämme und Völker unseres Planeten. Ich gab mich überzeugt, dass dem Genossen Farfurkis das bei manchen Bewohnern des Nordens übliche Aneinanderreiben der Nasen bei der Begrüßung auch nicht gefallen dürfte, er sich dadurch aber kaum in seiner Ehre als Mitglied der Troika verletzt fühlen würde. Was den Genossen Konstantinow angehe, so werde die Sitte, die in der Mundhöhle gebildete überschüssige Flüssigkeit auszuspucken – die bei einigen Völkern der Erde Unzufriedenheit, Gereiztheit oder eine Beleidigung des Gesprächspartners bedeute –, bei Bewohnern anderer Planeten etwas ganz anderes, beispielsweise Dank für erwiesene Aufmerksamkeit, ausdrücken. Das »Ausspucken« des Genossen Konstantinow könne außerdem eine ganz neutrale, physiologisch bedingte Funktion seines Organismus sein. (»Von wegen Organismus!«, brüllte Chlebowwodow. »Spuckt hier den Fußboden voll wie ein Bandit, und dann türmt er!«) Schließlich dürfe man auch die Möglichkeit nicht ausschließen, die erwähnte physiologische Absonderung des Genossen Konstantinow als eine mit seiner blitzartigen Fortbewegung im Raum verbundene Handlung zu interpretieren.
    Ich flötete wie eine Nachtigall und beobachtete erleichtert, wie Lawr Fedotowitschs Finger immer langsamer wurden und schließlich auf der Schreibmappe zur Ruhe kamen. Chlebowwodow knurrte noch eine Weile drohend, aber der hellhörige Farfurkis stellte sich rasch auf die veränderte Situation ein und holte in einer völlig überraschenden Richtung zum Schlag aus. Er fiel unerwartet über den Kommandanten her, der sich in völliger Sicherheit wähnte und mit einfältiger Neugier verfolgte, wie sich die Dinge entwickelten.
    »Mir fällt schon seit längerem auf«, donnerte Farfurkis, »dass es um die erzieherische Arbeit in der Kolonie Unerklärter Phänomene katastrophal bestellt ist. Politisch-aufklärerische Vorträge gibt es so gut wie gar nicht. Die Wandzeitung ist überholt, das kulturelle Abendstudium praktisch eingeschlafen. Die Kulturarbeit in der Kolonie beschränkt sich auf Tanzerei, ausländische Spielfilme und geschmacklose Unterhaltungsprogramme. Losungen, ja die Sichtagitation überhaupt, werden völlig vernachlässigt. Die Kolonisten sind sich selbst überlassen und moralisch größtenteils ohne Halt, fast niemand kennt die internationale Lage, und die Rückständigsten von ihnen – der Geist eines gewissen Norbert Wiener zum Beispiel – wissen nicht einmal, wo sie sich befinden. Das Ergebnis sind amoralisches Handeln, Rowdytum und eine Flut von Beschwerden seitens der Bevölkerung. So verließ vorgestern der