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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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aufsperrt. Mit ihr hatte er früher einmal ein Verhältnis; als es abgekühlt war, gingen sie im Guten auseinander und sahen sich danach lange Zeit nicht wieder. Als nun Snegirjow die Frau wiedersieht, vergisst er, weshalb er hergekommen ist …
    Vor ihm sitzt eine streng gekleidete geheimnisvolle Frau. Sie ist schön und hat große dunkle Augen, wie eine Zauberin, einen makellos glatten Teint und verführerische Lippen. Ohne sie aus den Augen zu lassen, stellt Snegirjow vorsichtig sein Netz auf den Fußboden, breitet die Arme aus und sagt: »Da bleibt einem ja die Spucke weg! Wie lange haben wir uns nicht gesehen?« Er schlägt sich mit der Hand vor die Stirn. »Was bin ich für ein Idiot! Wo hatte ich nur meine Augen? Ja wirklich, ich bin ein Kretin! Wie konnte ich bloß?«
    »Good evening, my darling«, entgegnet Natalja ziemlich kühl. »Bist du extra hergekommen, um mir das zu sagen? Oder wolltest du bei der Gelegenheit gleich deine Flaschen loswerden?«
    »Sprich!«, flüstert Snegirjow leidenschaftlich, während er sich ihr gegenüber auf einen Stuhl sinken lässt. »Sprich weiter! Was du willst, irgendwas.«
    »Was ist denn mit dir los?«
    »Ich weiß es nicht. Heute wäre ich beinahe überfahren worden. Vor allem aber habe ich dich gesehen.«
    »Wen glaubtest du denn sonst hier zu sehen?«
    »Natalja Petrowna … Doch jetzt sitzt eine Fee vor mir. Oder eine Hexe! Eine wunderschöne Hexe! Eine Nixe!«
    »Du Süßholzraspler!«, mahnt sie ihn frostig, lächelt aber dabei. Sie ist angenehm berührt.
    »Heute hast du natürlich keine Zeit«, erklärt er sachlich.
    »Und wenn doch?«
    »Dann lade ich dich ins ›Kaukasische Restaurant‹ ein und bewirte dich mit Saziwi! Und mit Chatschapuri! Wir werden Kognak und Twischi trinken! Und Pawel Pawlowitsch wird alles persönlich arrangieren …«
    »Ja, natürlich«, sagt sie. »Wir bringen deine Flaschen weg und gehen bummeln. Fürs Flaschengeld.«
    Da fällt Snegirjow ein, dass er am Abend schon verabredet ist.
    »Natalja«, sagt er. »Und wie wäre es morgen? Gehen wir ins ›Schwimmende Restaurant‹, ja? Auf dem Fluss? Wie in guten alten Zeiten!«
    »Heute gehen wir ins ›Kaukasische‹, morgen ins ›Schwimmende‹ und übermorgen?«
    »Oje«, erwidert er aufrichtig. »Heute geht’s bei mir nicht. Das hatte ich ganz vergessen.«
    »Und morgen geht es auch nicht«, pariert sie. »Und übermorgen schon gar nicht.«
    »Wieso denn nicht?«
    »Weil der Zug abgefahren ist. Siehst du die Rücklichter?«
    »Du bist wunderbar«, flüstert er, als hätte er gar nicht zugehört, und greift nach ihrer Hand. »Ich muss einfach blind gewesen sein. Deine Haut leuchtet ja richtig.«
    »Du alter Weiberheld«, erwidert sie beinahe zärtlich. »Lass meine Hand los.«
    »Aber einen Kuss könntest du mir doch geben?«, knurrt er, während er seine Lippen den ihren nähert.
    »Gott wird’s geben«, bemerkt sie und entwindet sich. »Hör auf mit dem Theater. Geh lieber. Ich bekomme gleich Besuch.«
    »Hm, hm!« Er steht auf. »Ich habe heute kein Glück. Und wie geht’s dir sonst?«
    »Wie allen. Sonst und überhaupt.«
    »Wir sind damals auf eine so dumme Art auseinandergegangen.«
    »Im Gegenteil! Auf eine sehr gute Art.«
    »Ohne große Gefühle, meinst du?«
    »Ja. Ohne große Gefühle.«
    »Und was ist daran gut?«
    »Dass es ohne Folgen geblieben ist. Das ist doch die Haupt sache, dear Felix: dass es ohne Folgen bleibt. Und jetzt mach schon. Geh, steh mir nicht im Weg herum.«
    Snegirjow dreht sich verdrossen zur Tür und hebt sein Netz auf, als ihm plötzlich einfällt: »Hör mal, Natalja, ich habe eine große Bitte an dich.«
    »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
    »Ehrenwort, bei deinem Anblick habe ich alles andere glatt vergessen. Jetzt fällt’s mir wieder ein. Deinen Kurs besucht ein gewisser Senja – richtig heißt er Semjon Semjonowitsch Dolgopolow.«
    »Ja, den kenne ich. So ein Glatzkopf von den Städtischen Verkehrsbetrieben … Sehr begriffsstutzig …«
    »Wie recht du hast! Ein Glatzkopf, begriffsstutzig und von den Städtischen Verkehrsbetrieben. Außerdem hat er zu hohen Blutdruck und einen Säufer zum Schwiegersohn. Er braucht eine Bestätigung über den Abschluss eures Kurses. Und zwar ganz dringend, weil davon eine Dienstreise abhängt. Gib ihm um Gottes willen diese Bescheinigung, du hast ihn schon zweimal durchfallen lassen …«
    »Dreimal.«
    »Dreimal? Na, dann hat er mich beschwindelt. War ihm wohl peinlich. Sei nicht so streng mit ihm, was

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