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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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zurückzuhalten. Außerdem hatte mich der Bürgermeister geärgert. Er wollte meine Freiheit beschneiden. Und in solchen Fällen werde ich immer aufmüpfig. Übrigens, Golem … Könnte nicht General Pferd beim Bürgermeister ein Wort für mich einlegen?«
    »Der wird Ihnen mitsamt Ihrem Bürgermeister was husten«, sagte Golem. »Er hat genug eigene Sorgen.«
    »Sagen Sie ihm, dass er ein Wort für mich einlegen soll. Sonst schreibe ich einen vernichtenden Artikel gegen Ihr Leprosorium: dass Sie das Blut von Christenkindern für die Heilung der Brillenkrankheit verwenden. Glauben Sie, ich weiß nicht, warum die Nässlinge die Kinder ins Leprosorium locken? Erst saugen sie ihnen das Blut aus, dann schänden sie sie. Ich werde Sie vor der ganzen Welt bloßstellen. Blutsauger und Wüstlinge unter der Maske des Arztes.« Viktor stieß Golem an und trank. »Das ist übrigens mein Ernst. Der Bürgermeister will mich zwingen, ihm so einen Artikel zu schreiben. Aber das wissen Sie natürlich längst.«
    »Nein«, erwiderte Golem. »Aber das ist unwichtig.«
    »Wie ich sehe, ist für Sie alles unwichtig«, meinte Viktor. »Die ganze Stadt ist gegen Sie – unwichtig. Man stellt Sie vor Gericht – unwichtig. Hygieneinspektor Pavor ist über Sie empört – unwichtig. Ist General Pferd vielleicht ein Pseudonym des Herrn Präsidenten? Weiß dieser allmächtige General übrigens, dass Sie Kommunist sind?«
    »Und warum ist der Schriftsteller Banew so empört?«, fragte Golem ruhig. »Schreien Sie doch nicht so, Teddy sieht schon her.«
    »Teddy ist auf unserer Seite«, erklärte Viktor. »Übrigens ist er auch empört: Er kann sich vor Mäusen nicht mehr retten.« Er zog die Augenbrauen zusammen und steckte sich eine Zigarette an. »Warten Sie, Sie hatten mich doch was gefragt …? Ach ja. Ich bin empört, weil Sie mich nicht ins Leprosorium gelassen haben. Schließlich hatte ich eine gute Tat vollbracht – selbst wenn sie dumm war. Aber das haben gute Taten ja nun mal so an sich. Und davor habe ich einen Nässling auf meinem Rücken geschleppt.«
    »Und sich seinetwegen geschlagen«, fügte Golem hinzu.
    »Genau. Seinetwegen hab ich mich geschlagen.«
    »Mit Faschisten«, fügte Golem hinzu.
    »Jawohl, mit Faschisten.«
    »Haben Sie denn einen Passierschein?«, fragte Golem.
    »Einen Passierschein … Pavor lassen Sie ja auch nicht rein, und schon ist er zum Volksfeind geworden.«
    »Tja, Pavor hat kein Glück hier. Eigentlich ist er ein fähiger Mann, aber er kommt hier nicht klar. Ich warte nur darauf, dass er anfängt, Dummheiten zu machen. Anscheinend ist es jetzt so weit.«
    Dr. Quadriga hob den zerzausten Kopf und sagte: »Immer feste drauf. Ich gehe jetzt, dann werden wir ja sehen. Mit dem ist’s aus.« Sein Kopf knallte auf die Tischplatte.
    »Golem«, begann Viktor mit gesenkter Stimme. »Ist es wahr, dass Sie Kommunist sind?«
    »Soviel ich weiß, ist die Kommunistische Partei bei uns verboten«, stellte Golem fest.
    »Mein Gott«, erwiderte Viktor. »Welche Partei ist bei uns denn schon erlaubt? Ich frag doch nicht nach der Partei, sondern nach Ihnen.«
    »Ich bin, wie Sie sehen, erlaubt«.
    »Na, wie Sie wollen«, meinte Viktor. »Mir kann’s egal sein. Aber der Bürgermeister … Übrigens kann Ihnen der Bürgermeister gar nichts. Aber wenn General Pferd davon er fährt …«
    »Wir verraten es ihm nicht«, flüsterte Golem vertraulich. »Aber wozu sollte sich der General mit solchen Kleinigkeiten abgeben? Es genügt doch, wenn er weiß, dass es ein Leprosorium gibt und im Leprosorium einen gewissen Golem und ein paar Nässlinge.«
    »Merkwürdiger General«, meinte Viktor nachdenklich. »Ein General des Leprosoriums. Übrigens wird er mit den Nässlingen wohl bald Ärger bekommen. Das sagt mir der Instinkt des Künstlers. In unserer Stadt dreht sich jetzt alles um die Nässlinge.«
    »Wenn’s nur in unserer Stadt wäre.«
    »Wie kommt das nur? Das sind doch bloß kranke Menschen, und anscheinend ist ihre Krankheit nicht mal ansteckend.«
    »Tun Sie nicht so, Viktor. Sie wissen ganz genau, dass es nicht bloß kranke Menschen sind. Und selbst mit der Ansteckung ist das nicht so einfach.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Was ich meine, ist, dass Teddy sich zum Beispiel nicht anstecken könnte. Und der Bürgermeister auch nicht, vom Polizeichef ganz zu schweigen. Andere aber könnten sich anstecken.«
    »Sie zum Beispiel.«
    »Ich auch nicht. Nicht mehr.«
    »Und ich?«
    »Das weiß ich nicht. Überhaupt ist das nur

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