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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Wir zwängten uns durch; die Spalte war vierzig Fuß lang und mündete in eine dritte Schlucht. Sie glich genau der ersten, abgesehen von ihrer länglichen Gestalt, die nachstehender Zeichnung entsprach ( Figur 3 ).

    Fig. 3
    Dieser Abgrund war dreihundertzwanzig Ellen lang. An der Stelle bei a befand sich eine Öffnung, die etwa sechs Fuß breit war und fünfzehn Fuß tief in den Felsen eindrang, um in eine Mergelschicht zu münden; es folgte, wie wir erwartet hatten, keine weitere Kluft. Wir waren im Begriff, diese Spalte, in die nur ein schwaches Licht fiel, zu verlassen, als Peters meine Aufmerksamkeit auf eine Reihe eigentümlich aussehender Einschnitte lenkte, die auf jener die Sackgasse schließenden Mergelwand zu sehen waren. Mit einiger Einbildungskraft konnte man die nördlichste der Runzeln als die roh ausgeführte Darstellung einer mit ausgestrecktem Arme bestehenden Menschengestalt ansprechen. Die übrigen Linien hatten einige Ähnlichkeit mit Buchstaben eines fremdartigen Alphabetes, und Peters war geneigt, die törichte Meinung zu vertreten, dass es wirklich solche Zeichen seien. Ich überführte ihn schließlich seines Irrtums, indem ich ihm den Boden der Spalte zeigte, von dem wir mehrere Blätter Mergel aufhoben, die offenbar durch irgendeine Erderschütterung von der Wand abgelöst worden waren und vollständig in die Vertiefungen hineinpassten, die folglich natürlichen Ursprungs waren. Die Zeichnung hier ( Figur 4 ) gibt die Form der Vertiefung genau wieder.

    Fig. 4
    Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass diese seltsamen Pingen uns keinen Ausgang aus unserem Gefängnisse eröffnen würden, kehrten wir gedrückt und mutlos nach der Höhe des Berges zurück. In den nächsten vierundzwanzig Stunden ereignete sich nichts Bemerkenswertes, außer dass wir bei der Durchforschung des Geländes hinter der dritten Schlucht zwei dreieckige Löcher fanden, deren Tiefe sehr groß schien; ihre Wandung bestand ebenfalls aus schwarzem Granit. Wir hielten es für unnütz, in diese Löcher hinabzusteigen, denn sie hatten das Aussehen natürlicher Zisternen und schienen ohne Abfluss zu sein. Jedes maß beiläufig zwanzig Ellen im Umfang; ihre Gestalt und ihre Lage zur dritten Schlucht sind aus der Skizze ( Figur 5 ) zu ersehen.

    Fig. 5
Vierundzwanzigstes Kapitel
    Am Zwanzigsten des Monats entschlossen wir uns endlich, auf jede Gefahr hin den Abstieg zu wagen, da wir mit den Nüssen, die uns höllische Qualen verursachten, nicht länger unser Leben fristen konnten. Die Wand des südlichen Abhangs bestand aus weichstem Speckstein, fiel jedoch mindestens hundertundfünfzig Fuß tief beinahe lotrecht ab und überwölbte sogar an manchen Stellen den Abgrund. Nach langem Suchen entdeckten wir zuletzt ein schmales Band, etwa zwanzig Fuß unterhalb des Randes; es gelang Peters, sich mit meiner Hilfe an unseren zusammengeknoteten Taschentüchern auf diesen Fleck hinabzulassen. Mit größerer Mühe gelangte auch ich hinunter. Und nun erkannten wir, dass es möglich sei, den ganzen Weg auf die gleiche Art zurückzulegen, in der wir aus der verschütteten Kluft zum Licht aufgestiegen waren: indem wir nämlich mit unseren Messern in den Speckstein Stufen schnitten. Für die Gefährlichkeit des Unternehmens gibt es keine Worte, aber ein anderer Ausweg war nicht vorhanden. Unseren Entschluss konnte deshalb nichts mehr erschüttern.
    Auf dem Band, von dem ich eben sprach, wuchsen einige Nussstauden; an eine davon knüpften wir unseren Strick aus Taschentüchern. Sein anderes Ende wurde um Peters’ Hüften gebunden, und ich ließ ihn über den Rand des Absturzes hinab, bis die Tücher sich strammzogen. Jetzt bohrte er ein tiefes Loch in den Speckstein – ungefähr acht bis zehn Zoll tief – und hämmerte dann mit seiner Pistole einen starken Pflock in die Bergwand. Ich hob ihn nun etwa vier Fuß höher, worauf er einen zweiten Pflock einschlug, so dass er einen Halt für Hände und Füße besaß. Jetzt löste ich die Taschentücher vom Strauch ab und warf ihm das Ende des Seiles zu; er band es an den oberen Pflock und ließ sich dann um drei Fuß unter den unteren Pflock hinab; so weit nämlich reichte der Strick. Als es aber nötig wurde, die Taschentücher vom obersten Pflock loszubinden, zeigte es sich, dass wir die Löcher in zu großem Abstand voneinander angebracht hatten. Daher durchschnitt er das Seil sechs Zoll unterhalb der Stütze und band die Taschentücher an den zweiten Pflock. Ich wäre nie auf diese Methode

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