Gesandter des Teufels
Gespräche wurden mit ruhiger Stimme geführt, waren jedoch von Untertönen der Gewalt und des Unmuts begleitet.
Diese Männer waren mit den Geschichten ihrer Väter und Großväter aufgewachsen, die von dem alten und verhassten Lehnswesen mit seinen Verpflichtungen und Abgaben handelten. Fesseln und Zaumzeug, die sie daran hindern sollten, ihre Stellung im Leben zu verbessern. Doch diese Männer waren in einer Zeit aufgewachsen, in der aufgrund des ver-heerenden Wütens der Pest ein Mangel an Arbeitskräften herrschte, wodurch sich neue Möglichkeiten aufgetan hatten. Sie wussten, dass die Freiheit in Reichweite war.
Doch jedes Mal, wenn ihre Herrscher - sei es nun der Adel oder die Kirche - ihnen erneut die alten Verpflichtungen der Leibeigenschaft aufzuzwingen versuchten, rückte die verführerische Freiheit in weitere Ferne.
»Das Parlament will uns in die Hölle der ewigen Leibeigenschaft zurückschicken«, knurrte einer der Männer.
So wie die Engel die Ketten des Himmels wieder straffer anziehen wollen, dachte Tyler.
»Ja. Sie haben ihre Stadthäuser und dicken Geldsäcke«, sagte ein anderer, »und was haben wir? Unser ganzes Leben lang rackern wir uns ab, damit sie sich in Pelze und Seidenstoffe kleiden können.«
»Und darüber hinaus zahlen wir hohe Steuern, damit sie es gemütlich und warm haben«, sagte Jack Straw. »So hohe Steuern, dass uns kaum die Zeit oder die Gelegenheit bleibt, etwas für unser eigenes Wohlergehen zu tun.«
»Und sind sie nicht einst genauso auf die Welt gekommen wie wir?«, sagte Tyler leise. Sein Blick schweifte in die Runde, während er das Feuer des Aufstands schürte. »Müssen sie nicht genauso essen und sich erleichtern? Treiben sie nicht genauso Unzucht wie wir? Welches Recht haben sie, sich für etwas Besseres zu halten? Mit welchem Recht halten sie uns in Knechtschaft?«
Die Männer knurrten zustimmend.
»Die verdammte Kirche gibt ihnen das Recht dazu«, sagte einer von ihnen. »Jedes Mal, wenn wir um eine Gelegenheit betteln, unser hartes Los zu verbessern, schleppen sich die fetten Geistlichen auf ihre Kanzeln und predigen uns, dass es Gottes Wille sei, dass wir schuften und in armseligen Hütten hausen und dass sie über uns stehen!«
»Aber«, sagte Haies spöttisch, »dadurch sichern wir uns doch einen Platz im Himmel, nicht wahr?«
Jemand lachte, doch es war kein fröhliches Lachen. »Nein«, sagte der Mann und spuckte aus. »Da liegt ihr ganz falsch! Denn, wie die Priester uns weiter predigen, sind wir solch schreckliche Sünder, dass wir auf ewig in der Hölle brennen werden!«
»Es sei denn, wir sorgen vor und bezahlen ihnen jede Menge Gold dafür, dass sie unsere Seelen retten«, warf jemand anderes ein.
»Sind wir nicht alle Narren«, sagte Tyler, »dass wir hier gemütlich zusammensitzen und leeres Stroh dreschen, anstatt etwas zu unternehmen?« Es herrschte Schweigen.
»In wenigen Tagen werden zwei Steuereintreiber in Barming eintreffen«, sagte Tyler. »Meine Freunde, überall in England sitzen heute Nacht brave Männer wie wir um die Feuer herum und fluchen über das Übel der Kopfsteuer, die das Parlament der ohnehin schon schweren Last der Arbeit und Abgaben, mit der wir unser ganzes Leben lang geschlagen sind, hinzugefügt hat. Irgendjemand muss sich zur Wehr setzen!«
Wieder herrschte Schweigen.
»Und wenn wir uns nun bei König Richard beschweren?«, sagte Jack Straw. »Womöglich weiß er gar nicht, welche Bürde das englische Volk zu tragen hat? Wenn er es wüsste, könnte er vielleicht für Gerechtigkeit sorgen.«
»Ja!«, waren nun auch andere Stimmen zu hören. »Wenn Richard nur Bescheid wüsste!«
»Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, dass wir uns zur Wehr setzen«, sagte Haies.
»Auf unsere Hilfe kannst du zählen«, sagte einer der Männer aus East Farley.
»Auf unsere ebenfalls!«, sagte der Mann aus Allington.
»Das ganze Land wird sich erheben, meine Freunde«, sagte Tyler, »denn es ist eine gute und gerechte Sache.«
»Wann, hast du gesagt, werden die Steuereintreiber hier eintreffen?«, fragte Haies.
KAPITEL ZWEI
Das Fest des heiligen Beda Im zweiten Jahr der Regentschaft Richard II. (Montag, 28. Mai 1380)
»Mein Lord?«
Neville wandte sich von dem schmalen Fenster ab, durch das er hinausgeschaut hatte. Gütiger Himmel, er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht einmal gehört hatte, wie die Tür sich hinter ihm geöffnet hatte.
»Robert!« Neville eilte in drei großen Schritten über
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