Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesandter des Teufels

Gesandter des Teufels

Titel: Gesandter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
Vom Netzwerk:
Bolingbroke mit England und der ganzen Welt vorhatte. Plötzlich fiel ihm wieder ein, was Bolingbroke vor vielen Wochen auf einer Hügelkuppe zu ihm gesagt hatte: Eines Tages werde ich die Menschheit zu den Sternen führen. Neville erschauerte, denn in diesem Moment wurde ihm klar, dass Bolingbroke das durchaus ernst gemeint hatte.
    Er wandte den Blick von Bolingbroke ab und bemerkte, dass Mary still ihren Platz auf dem Podest zur Linken ihres Gemahls eingenommen hatte. Sie saß auf einem reich mit Schnitzereien verzierten Stuhl, und auf ihrer Stirn und an ihrem Hals funkelten Edelsteine. Sie trug ein elfenbeinfarbenes Kleid, das mit Goldfäden durchwirkt war, und es passte so gut zu ihrem hellen Teint, dass sie zum ersten Mal, seit Neville sie kannte, wahrhaft schön aussah.
    Sie bemerkte seinen Blick und neigte leicht den Kopf. Sie schloss eines ihrer Augenlider, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte Neville fast meinen können, dass sie ihm zugezwinkert habe.
    Er nickte ihr ebenfalls zu, legte eine Hand auf sein Herz und verbeugte sich leicht, worauf Mary lächelte.
    Dann nahm Neville aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und richtete den Blick wieder auf den Altar.
    Der Abt von Westminster hatte das Podest inzwischen erreicht, begleitet von William Arundel, dem neuen Erzbischof von Canterbury, und Sir Robert Tresilian, dem Oberrichter des königlichen Gerichtshofs.

    Kirche und Gesetz, die Seite an Seite standen, um den neuen König zu salben.
    Neville sah, wie der Blick des Abts nervös durch die Abtei huschte und dann einen Moment lang beim Grafen von Exe-ter hängen blieb, der während der Wirrnisse der vergangenen Wochen auffällig ruhig geblieben war.
    Exeter war Richards wesentlich älterer Halbbruder aus der ersten Ehe Johanna von Kents mit Sir Thomas Holland, dem Grafen von Kent, mit dem sie sechs Kinder hatte.
    Neville erstarrte und rechnete jeden Augenblick damit, dass bewaffnete Ritter auf Pferden die Abtei stürmen würden ... doch nichts dergleichen geschah. Der Abt wandte sich den versammelten Edelleuten Englands zu und breitete wie zum Segen die Arme aus.
    »Der englische Königsthron ist unbesetzt!«, rief der Abt. »Ihr Fürsten Englands, wie lautet Euer Wille?«
    »Bolingbroke!«, ertönte ein Ruf, und Neville bemerkte überrascht, dass er von Raby gekommen war, der neben ihm saß.
    »Bolingbroke!«, rief jemand anderer, und dann stimmten tausend Kehlen in den Ruf mit ein: »Bolingbroke! Bolingbroke! Bolingbroke!«
    Ein merkwürdiger Unterton mischte sich in die Rufe, und Neville wurde klar, dass es das Geschrei der Menge vor der Abtei war, die »Hai! Hai!
    Hai!« rief.
    Der Abt wandte sich Bolingbroke zu, bedeutete ihm, sich von seinem Stuhl zu erheben, und segnete ihn. Dann führte er ihn vor den Thron.
    Wie bei Richards Thronbesteigung näherten sich nun Mönche, die die Staatsgewänder und das königliche Schwert trugen. Mithilfe zweier der Mönche legte der Abt Bolingbroke die Staatsgewänder an und gürtete ihn mit dem Schwert. Dann gab er ihm das Zeichen, auf dem englischen Königsthron Platz zu nehmen.
    Die ganze Zeit über dauerten die Jubelrufe an: Bolingbroke!
    Bolingbroke! Bolingbroke!
    Schließlich drehte sich der Abt um und hob die Hände, um die Menge zum Schweigen zu bringen.
    Die Rufe verstummten.
    »Ihr Fürsten, Ihr habt Heinrich von Bolingbroke, den Herzog von Lancaster, auf den englischen Thron berufen«, sagte der Abt mit klarer, wohltönender Stimme. »Hat irgendjemand der Anwesenden hier einen guten Grund vorzubringen, warum Bolingbroke Eurem Ruf nicht Folge leisten sollte?«
    Als sich wie ein schwerer Vorhang Schweigen über die Abtei legte, drehte Bolingbroke leicht den Kopf und sah Neville mit seinen klaren, grauen Augen an.

    Neville konnte den Blick nicht von dem Prinzen abwenden. Er wusste, dass er ihn in diesem Augenblick noch aufhalten konnte, wenn er es wollte. Er musste nur vortreten und sein Wissen verkünden. Und nachdem er die Unentschlossenheit im Gesicht des Abts, die kaum verhohlene Feindseligkeit in Exeters und die düsteren Blicke vieler Adliger in der Abtei gesehen hatte, wusste er, dass es unter den Anwesenden genügend Männer gab, die die Zeremonie würden aufhalten können.
    Die Aufschub und ein klärendes Verhör verlangen würden.
    Bolingbroke sah Neville direkt in die Augen, während die Stille in der Abtei andauerte.
    Ich könnte mich jetzt zu Wort melden und seinen Triumph zunichtemachen, dachte Neville und erwiderte gelassen

Weitere Kostenlose Bücher