Gesandter des Teufels
der das Schicksal der Welt abhing.
Wenn er sich für einen bestimmten Weg entschied, würde Gott siegen, wählte er jedoch einen anderen, würde die Welt ein gottloser Ort werden
...
Sollte er sich für den Hass oder für die Liebe entscheiden?
Was immer auch geschehen mag, dachte Neville, es wird keine leichte Entscheidung.
»Mein Fürst?«
Courtenay Neville schüttelte seine Gedanken ab und hob den Kopf.
Courtenay kam von einer Gruppe Würdenträger zu ihm herübergelaufen. »Mein Fürst, man ruft uns in die Abtei. Wir müssen gehen.«
Neville nickte, sah sich um und wartete noch einen Augenblick.
Nur einen kurzen Moment wollte er die Thronbesteigung des Dämonenkönigs noch hinauszögern.
Doch dann sah Neville, dass Raby ihnen vom Tor der Abtei aus dringende Zeichen gab, und wie es aussah, würde sich jeden Augenblick die Staatsprozession vom Quartier des Abts aus in Bewegung setzen.
Neville seufzte, schenkte Courtenay ein Lächeln und betrat die Abtei.
Neville bemerkte den schwarzgewandeten Dominikaner nicht, der mitten in der Menge stand und ihm mit feindseligem, düsterem Blick hinterhersah. Und ihm war auch nicht bewusst, dass der schwärende Hass, den Ordensgeneral Thorseby in seinem Herzen nährte, das Königreich schon bald in einen Bürgerkrieg stürzen würde.
Nichts davon nahm Neville wahr, denn all seine Gedanken waren auf Hai und seine Rolle in der bevorstehenden Schlacht gerichtet.
Neville hatte Thorseby vollkommen vergessen und wusste zudem nicht, dass der Ordensgeneral nur noch von dem eisigen Wunsch nach Rache erfüllt war.
Wie die Welt draußen war auch die Abtei in gleißendes Licht getaucht.
Überall leuchteten Fackeln und Laternen, während gleichzeitig die Sonne durch die Buntglasfenster der Abtei schien. Von den Säulen und Dachbalken hingen riesige Fahnen und Banner herab - mit Bolingbrokes Wappenzeichen, den Löwen der Familie Plantagenet und den Emblemen der anderen Adligen, die anwesend waren -, die sich in der warmen Luft, die von den Fackeln erzeugt wurde, leise hin und her bewegten.
Während Neville mit Raby und Courtenay den Mittelgang der Kirche entlangschritt, erblickte er die mächtigsten Edelleute und hochrangigsten Geistlichen Englands.
Viele der Männer unterhielten sich ausgelassen und fröhlich mit ihren Nachbarn, andere jedoch waren still und wachsam, und ihr Blick wirkte selbst im hellen Lichtschein verhangen und düster.
Neville ließ sich nichts anmerken, doch innerlich fragte er sich: Wer war Freund und wer Feind? Wer war ehrlich und wer falsch ?
Was war die Wahrheit und was nur Lüge?
»Tom, wenn du nicht ein fröhlicheres Gesicht machst, schwöre ich dir, dass ich dich durch die Tür hinter dem Chorgestühl gleich wieder aus der Kirche werfe«, zischte Raby.
»Hotspur ist nicht hier«, sagte Neville.
»Nein, und Rutland und Mortimer auch nicht. Aber das sollte uns nicht weiter überraschen.«
»Nein ... mir will scheinen, dass Hai der Thron doch nicht so sicher ist, wie er vielleicht glaubt.« Neville lächelte. Nein, ganz und gar nicht sicher. »Ah, hier sind unsere Plätze, lieber Onkel.«
Raby sah Neville fragend an, während sie ihre Plätze zur Rechten des Throns und des einfachen Holzstuhls einnahmen, die auf dem Podest vor dem Altar standen. Dann richtete er den Blick auf das Mittelschiff, als die Hörner erklangen und Bolingbroke seinen triumphalen Einzug in die Abtei begann.
Das Zeremoniell der Thronbesteigung eines neuen Königs hatte eine lange Tradition, doch an diesem Michaelistag verlief die Zeremonie notwendigerweise ein wenig anders.
Dieses Mal wurde die Königskrone nicht vom Vater an den Sohn weitergereicht, denn der vorhergehende König war unter unehrenhaften Umständen des Thrones enthoben worden. Deshalb war der Ritus geändert worden.
Bolingbroke wurde nicht direkt zum Thron geführt, sondern zu einem Holzstuhl, der daneben stand. Dort saß er, glattrasiert, mit unbedecktem Haupt und nackten Füßen, in ein einfaches Leinenhemd und eine rote Hose gekleidet.
Sein Gesicht war ernst, den Blick hatte er zu Boden gerichtet, doch er strahlte große Kraft und Schönheit aus, und als er seinen durchdringenden Blick hob, als der Abt von Westminster sich ihm näherte, wirkte er wie ein Mann, der nicht nur über enormen Weitblick verfügte, sondern auch die Fähigkeit besaß, seine Visionen von der Zukunft wahr zu machen.
Neville fragte sich, was geschehen würde, wenn er in diesem Moment aufstehen und verkünden würde, was
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