Gesandter des Teufels
Bolingbrokes Blick. Was soll ich tun, Hai? Was glaubst du, was ich tun werde?
Er dachte daran, was geschehen würde, wenn er tatsächlich vortrat und seine Zweifel äußerte. Barsche Worte, wütende Ausrufe ... das abscheuliche Geräusch von Schwertern, die aus den Scheiden gezogen wurden.
Wenn er jetzt das Wort ergriff, würde in dieser Abtei nicht die Regentschaft eines neuen Königs ihren Anfang nehmen, sondern ein langer und blutiger Krieg, während die Fürsten Englands die Thronfolge untereinander ausfochten.
Nevilles Blick glitt zu Mary hinüber.
Sie beobachtete ihn immer noch, und hin und wieder hoben sich ihre Mundwinkel. Sie schien so unendlich glücklich ...
Er sah wieder Bolingbroke an, der immer noch den Blick auf ihn gerichtet hatte. Etwas in seinem Gesicht erinnerte Neville an den glorreichen Augenblick, als Bolingbroke auf seinem Hengst mitten in eine Armee hineingeritten war, die ihn hätte töten können, und sein Leben in ihre Hände gelegt hatte.
Er hatte ihnen die Wahl gelassen: Sie konnten ihn töten oder frei sein, und sie hatten sich für die Freiheit entschieden ... für die Freiheit und Bolingbroke.
Gütiger Himmel, wie sehr er Bolingbroke in diesem Augenblick geliebt hatte.
Neville wurde mit einem Mal klar, dass er diese Liebe nur zu gern wiederfinden würde, doch dieses Mal sollte sie sich nicht auf Lügen gründen.
Und während die ganze Abtei den Atem anhielt und Bolingbroke ihn abwartend anschaute, leistete Neville innerlich einen Schwur: Wenn Bolingbroke, welches auch immer seine Herkunft sein mochte, tatsächlich unermüdlich und aufrichtig darauf hinarbeitete, das Versprechen zu erfüllen, das er den Männern an jenem Tag gegeben hatte, dann würde er den Himmel selbst aufgeben, um ihm zu helfen. Wenn er jedoch ihn und England angelogen hatte
... nun, dann wartete die Hölle auf ihn, und er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um ihn ...
... und Margaret?...
... dorthin zu verbannen.
Er zuckte leicht die Achseln - ich werde nichts sagen -, und Bolingbroke atmete sichtlich erleichtert auf und sah wieder den Abt an.
Der Abt nickte und erklärte Bolingbroke schließlich zum rechtmäßig gewählten König des englischen Volkes, und der winzige Augenblick, in dem Neville ihn noch hätte aufhalten können, war für immer vorbei.
Dann ergriff der Abt die schwere, juwelengeschmückte Krone und setzte sie Heinrich Bolingbroke auf das Haupt.
Und die Zeit blieb stehen.
Der Erzengel brach durch die großen, bogenförmigen Torflügel der Abtei. In eine Säule aus pulsierendem Licht gehüllt stand er da und blickte das Mittelschiff hinunter zum Thron, auf dem der Dämonenkönig saß.
Die Abtei war voller Menschen, doch außer dem Dämonenkönig glichen sie alle grauen Schatten und starrten taub und blind nach vorn.
Der Erzengel Michael schritt langsam auf den Dämonenkönig zu.
Die Abtei erzitterte unter seinen mächtigen Schritten, und die Schwingen auf seinem Rücken erzeugten einen gewaltigen Wind der Vergeltung, der durch die Versammlung der erstarrten Adligen fegte.
Der Wind zauste ihnen das Haar und hob ihre Umhänge, doch keiner von ihnen bemerkte es.
Keiner außer dem Dämonenkönig.
»Was willst du hier?«, fragte der Dämonenkönig, als der Erzengel am Fuß des Podests stehen blieb. »Mir deine Glückwünsche überbringen?«
Der Erzengel lächelte, und sein Lächeln war schrecklich anzusehen.
»Du glaubst, ihr hättet gewonnen«, sagte der heilige Michael und hob die Arme mit den zu Klauen gebogenen Händen, als wollte er Gottes Zorn auf das Haupt des Dämonenkönigs herabrufen.
Der Dämonenkönig beugte sich vor, eine Hand auf den Griff seines Schwerts gestützt. »Ich habe noch nicht gewonnen«, sagte er. »Aber ich bin dem Sieg nahe ... so nahe ...«
Der Erzengel ließ die Arme sinken und brüllte vor Lachen.
Das Gesicht des Dämonenkönigs lief vor Wut rot an. »Die Liebe ist meine Waffe - was steht dir zur Verfügung? Hass? Gleichgültigkeit? Deine verfluchte Rechtschaffenheit?«
»Du weißt, was meine Waffe ist!«, sagte der heilige Michael und deutete auf Thomas, der grau und blind auf seinem Platz stand.
Funken sprühten dem Erzengel aus den Fingerspitzen und regneten auf den Steinfußboden der Abtei hinab.
»Aber«, fuhr der heilige Michael fort und beugte sich vor, »du hast nicht die geringste Ahnung, wie ich ihn einsetzen werde, nicht wahr? Du weißt nicht einmal, wer oder was er ist, habe ich recht?«
Die Augen des Dämonenkönigs
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