Gesandter des Teufels
ausgereicht, um jede Frau erbleichen zu lassen, doch Margaret hegte noch weitaus schlimmere Befürchtungen über Marys Zustand. Bis zu diesem Zeitpunkt war Marys Schwangerschaft glatt verlaufen - zu glatt. Sie hatte in den ersten Monaten weder unter Übelkeit gelitten wie die meisten Frauen, noch hatte sich ihr Puls beschleunigt.
Margaret kam langsam zu der Vermutung, dass in Marys Leib womöglich kein Kind, sondern etwas weitaus Finstereres und Abscheulicheres heranwuchs.
Etwas, das nicht von dieser Welt war.
In den letzten zehn Tagen war Mary teilnahmslos und still gewesen.
Anfangs hatte Margaret angenommen, es liege an ihrer Furcht wegen der Aufständischen, die auf die Stadt zumarschierten ...doch nun?
Margaret wechselte einen besorgten Blick mit Agnes. Doch im Moment konnten sie beide für Mary nichts tun. Sie mussten sich erst einmal um Lancaster kümmern und sich in Sicherheit bringen. Während sie den Fluss hinunterfuhren, sahen sie den Rauch und die Flammen, die über London aufstiegen. Die meisten der Lagerhäuser am Fluss und viele Gebäude innerhalb der Stadtmauern brannten.
Der Morgen war in ein Zwielicht aus Rauch, Dunst und Furcht getaucht.
Neville beugte sich näher an Margaret heran und flüsterte etwas in ihr Haar. Sie konnte seine Worte zwar nicht verstehen, doch seine Stimme klang liebevoll. Sie blickte zu ihm auf und lächelte dankbar. Seine Hand glitt um ihre Taille herum zur Wölbung ihres Bauches.
»Er ist in Sicherheit«, flüsterte Margaret und spürte, wie Neville erleichtert aufatmete, während Mary ihr einen unglücklichen Blick zuwarf.
Ihr Kind war zwar in Sicherheit ... doch war Mary sicher vor dem, was in ihrem Inneren lauerte? Margarets Unbehagen wuchs.
Neville küsste Margaret aufs Haar und sah dann zu Bolingbroke, Raby, Salisbury und Courtenay hinüber, die zusammen mit Whittington und fünfzehn oder sechzehn Soldaten, die aus dem Savoy Palace entkommen waren, am anderen Ende des Kahns saßen.
»Werden sie uns einlassen?«, fragte er leise.
Bolingbroke lachte kurz und barsch. »Richard würde es nicht wagen, uns auszusperren«, sagte er. »Wir sind zwanzig kampferfahrene Männer.
Außerdem wird nicht Richard am Tor des Towers stehen, sondern ein vernünftiger Wachmann. Für die Wachen werden wir vor allem zwanzig weitere Schwerter sein. Ich bin überzeugt, dass sie uns einlassen werden.«
Inzwischen hatten sie Queenshithe Wharf passiert und näherten sich mit großer Geschwindigkeit der London Bridge. Neville sah zu der Brücke und den Menschen hoch, die sich aus den Fenstern der Mietshäuser und Läden lehnten und sich auf den Stützpfeilern drängten.
»Uns wird nichts geschehen«, sagte Whittington, und als der Schatten der Brücke über sie fiel, stand er auf, wobei er den Kahn gefährlich zum Schwanken brachte.
Er stützte sich auf Courtenay und Salisbury, um das Gleichgewicht wiederzugewinnen, und rief dann den Männern auf den Stützpfeilern, die bereits ihre Spieße und Stöcke erhoben hatten, um den Kahn anzugreifen, seinen Namen zu.
Als die Männer Whittington erkannten, senkten sie die Waffen und bedeuteten auch den Leuten auf der Brücke und an den Fenstern, ihre Steine und Nachttöpfe wegzulegen.
»Ich begleite Lord Bolingbroke zum König«, rief Whittington und versuchte, so unbekümmert wie möglich zu klingen, »damit er ihn davon überzeugen kann, sich mit Tyler und seinen Aufständischen zu treffen und sich ihre Beschwerden anzuhören!«
Ein Jubeln ging durch die Menge, und die Männer winkten dem Kahn zu, während er vorbeiglitt.
Neville war froh, dass Lancaster auf dem Boden des Kahns nicht zu sehen war. Er zweifelte nicht daran, dass die Männer sonst den Kahn angehalten und den armen Lancaster herausgezerrt hätten.
Vielleicht wäre es sogar besser, wenn er rasch durch die Klinge
eines Schwertes starb oder im Fluss ertrank, statt den langsamen
und qualvollen Tod erleiden zu müssen, der ihm bevorstand.
Dunkelheit senkte sich auf sie herab, während sie unter einem der großen steinernen Bögen der Brücke hindurchfuhren, und als sie auf der anderen Seite wieder herauskamen, tauchte zweihundert Meter vor ihnen der Tower auf, und die beiden Soldaten an den Staken verdoppelten ihre Anstrengungen.
KAPITEL 10
Der Nachmittag am Samstag während der Oktave von
Fronleichnam Im zweiten Jahr der Regentschaft Richard II. (2.
Juni 1380)
Die Festungsanlage des Towers befand sich weit im Südosten Londons.
Sie war rundherum von Wasser umgeben.
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