Gesandter des Teufels
Gefahr
befinden werdet.
Geschrieben am Donnerstag vor dem vierten Sonntag nach dem
Fest der heiligen Dreifaltigkeit.
Jeanne, die Jungfrau von Frankreich.«
»Der Herr möge uns beschützen!«, rief Talbot, als Hotspur geendet hatte und den Brief wieder zusammenfaltete.
»Seid still!«, fauchte Hotspur und klopfte sich in Gedanken versunken mit dem Brief gegen die Brust. »Woher hast du diesen Brief?«, fragte er den Soldaten, der ihm die Botschaft gebracht hatte.
»Er wurde von einem Wachmann der Bastille de Augustines zum Turm gebracht«, sagte der Mann und meinte damit den englischen Befestigungsturm direkt unterhalb der Brücke. »Der Überbringer der Botschaft sagte, dass seine Verfasserin nur wenige Stunden entfernt sei.«
Hotspur fluchte, drückte Talbot den Brief in die Hand und eilte aus dem Raum.
Jeanne stand am Südufer der Loire, etwa zwei Meilen stromaufwärts von Orléans, und kämpfte gegen den nur allzu menschlichen Drang an, die Beherrschung zu verlieren.
Hinter ihr saß Philipp auf seinem Pferd und lächelte niederträchtig angesichts des offensichtlichen Unbehagens der Jungfrau von Frankreich.
Sie waren in den letzten Tagen auf schnellstem Wege nach Süden geritten und waren besser vorangekommen, als Philipp angenommen hatte.
Aber schließlich wurde das Heer auch von einer religiösen Inbrunst angetrieben, wie es sie seit den Kreuzzügen nicht mehr gegeben hatte.
Am vorangegangenen Tag hatten sie den Dauphin und alle Frauen, mit Ausnahme von Jeanne, in einer kleinen, aber sicheren Stadt fünf Meilen östlich abgesetzt. Der Dauphin hatte darauf bestanden, während der bevorstehenden Schlacht dort auszuharren.
Obwohl es nicht überraschend kam, war Karls mürrisches und feiges Benehmen der Auslöser für Jeannes schlechte Laune gewesen.
Dann hatte sie den Rat mehrerer Befehlshaber in den Wind geschlagen und beschlossen, zum Südufer der Loire überzusetzen, damit sie sich Orléans von dort nähern konnten. Die Stadt befand sich jedoch auf der Nordseite des Flusses.
Vielleicht, dachte Philipp boshaft, hält Jeanne es für sicherer, einen
Fluss zwischen sich und ihr Ziel zu bringen.
Hier waren sie nun, ein bewaffnetes und kampfeslustiges Heer von achttausend Männern, das am Südufer festsaß, ohne eine Möglichkeit, den Fluss zu überqueren, während sich Orléans und ein Großteil der englischen Befestigungsanlagen am Nordufer befanden.
Philipps Grinsen wurde noch breiter. Das Durchbrechen des Belagerungsrings würde Jeannes erste große Prüfung sein. Auf dem Ritt nach Süden hatte sie ständig verkündet, dass sie mit Gottes Stimme spreche und ihr die Engel eingegeben hätten, dass ein großer Sieg vor ihnen liege. Und jede Nacht brachte sie mehr Soldaten dazu, die Beichte abzulegen. Jetzt würde sie ihre Versprechen und Prophezeiungen einlö-
sen müssen.
Während Jeanne voller Enttäuschung über die Loire blickte, die Hände in die Hüfte gestemmt, begann es zu regnen - ein dichter, prasselnder Regen, der den Schlamm bis zu den Knien hochspritzen ließ.
Philipp zog seinen Umhang fester um sich und ritt an Jeannes Seite.
»Komm, Jeanne!«, rief er über das Tosen des plötzlichen Regengusses hinweg. »Hier kannst du nichts ausrichten! «
Überraschenderweise leuchtete Jeannes Gesicht jedoch voller Begeisterung, als sie sich zu ihm umdrehte.
»Das ist Gottes Werk!«, rief sie. »Er ist uns zu Hilfe gekommen ! «
Gütiger Himmel, dachte Philipp, jetzt hat sie endgültig den
Verstand verloren.
»Schaut doch nur!«, schrie sie und deutete auf den aufgewühlten Fluss.
»Schaut!«
Er hob den Kopf und versuchte, durch den Regen etwas zu erkennen.
Das Wüten des Sturms hatte das Wasser des Flusses stromaufwärts gedrückt und eine steinerne Furt enthüllt, die breit genug war, dass mehrere Männer nebeneinander darüberreiten konnten.
»Kommt!«, rief Jeanne. »Kommt!«
Ihr Hengst tauchte aus dem Nichts auf, und Jeanne schwang sich in den Sattel und bedeutete den Männern, ihr zu folgen.
»Mit Gottes Segen Orléans entgegen!«, rief sie, und Philipp spürte, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief, der nicht nur auf den Sturm zurückzuführen war.
KAPITEL 3
Der Samstag vor dem vierten Sonntag nach dem Fest der
Dreifaltigkeit Im zweiten Jahr der Regentschaft Richard II. (16.
Juni 1380)
Der Tag war klar und hell, reingewaschen von dem übernatürlichen Sturm am Nachmittag und Abend des vorangegangenen Tages.
Während des Sturms hatten sich die Engländer
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