Gesandter des Teufels
der heilige Erzengel Michael auf einem flammenden Pferd zu ihnen herniedergeritten.
Glasdale schrie vor Entsetzen auf, ließ seine Waffe fallen und duckte sich. Die meisten seiner Männer taten es ihm nach.
Die Franzosen brachen ebenfalls in Geschrei aus, doch es waren Rufe des Triumphs. Gott war tatsächlich auf ihrer Seite! Sie nahmen noch einmal Anlauf, brachen durch das Tor und strömten in die Festung hinein.
Hinter ihnen kam Jeanne durch das Tor geschritten. Obwohl sie von Schmerzen und Blutverlust geschwächt war, stand sie dennoch aufrecht, hielt die Standarte in der Hand und sah zu, wie ihre Landsleute jeden einzelnen Engländer in der Festung niedermachten. Auch Philipp beobachtete von seiner Position auf der Stadtmauer aus das Geschehen.
Am Kampf selbst hatte er zwar nicht teilgenommen, doch hatte er den ganzen Tag lang den Fortgang des Angriffs verfolgt.
Er runzelte nachdenklich die Stirn.
Als Les Tourelles nach der schrecklichen Vision am Himmel gefallen war, hatte Hotspur seinen Männern unverzüglich den Befehl erteilt, sich zurückzuziehen und so schnell wie möglich zur nächsten Hafenstadt zu reiten.
Er würde nicht hierbleiben und im Kampf gegen diese heilige Jungfrau sein Leben aufs Spiel setzen.
Da zog er die Schotten doch jederzeit vor!
»Richard soll verflucht sein«, murmelte er, als er auf sein Pferd stieg und losgaloppierte.
Als ein Soldat Jeanne die Nachricht überbrachte, dass die Engländer die Flucht ergriffen hatten, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
»In Gottes Namen«, sagte sie erschöpft, »endlich verschwinden sie. Lasst sie ziehen und kehrt in die Stadt zurück, um Gott zu danken. Wir werden sie nicht verfolgen, denn es wird schon bald Sonntag sein. Fügt ihnen keinen weiteren Schaden zu. Es reicht, dass sie abgezogen sind.«
KAPITEL 4
Der vierte Sonntag nach dem Fest der Dreifaltigkeit Im zweiten
fahr der Regentschaft Richard II. (i j.Juni 1380) Das Schiff rollte in der schweren See, und Margaret sehnte den Moment herbei, wenn sie das Gefährt endlich verlassen konnte. Die letzten elf oder zwölf Tage waren ein einziger Albtraum gewesen. Am Morgen nach dem Tag, an dem Lancaster und Tyler gestorben waren, hatte sie zusammen mit Bolingbroke, Mary, Neville und etwa vierzehn oder fünfzehn Knappen und Leibdienern am Wassertor des Towers ein flä-
misches Schiff bestiegen. Das Schiff war bereits voller Flamen gewesen, die dem Aufruhr, der nach der Revolte in London herrschte, entkommen wollten, und obwohl Bolingbroke und sein Gefolge für ihre Überfahrt fürstlich bezahlt hatten, machten die zusätzlichen Mitreisenden das Leben an Bord nicht unbedingt einfacher. Die Männer teilten sich eine winzige, stickige Kabine, während Margaret mit Mary, Agnes, Rosalind und fünf flämischen Frauen in einer etwas größeren, aber genauso schlecht belüfteten Kabine untergebracht war.
Es gab nur Betten für drei von ihnen, und für die anderen war kaum ausreichend Platz zum Stehen oder Sitzen. Rosalind hatte ununterbrochen geweint und gejammert und ebenso die beiden Kinder der flämischen Frauen, die im selben Alter waren. Vier Tage nachdem sie London verlassen hatten, hatte eine der Frauen auch noch unter Schmerzen und lautem Wehklagen ein weiteres Kind geboren.
Der Gestank der ungewaschenen Leiber, der Geburt, des Erbrochenen und der feuchten, muffigen Matratzen, das Heulen der Kinder und der Seegang machten die Überfahrt nahezu unerträglich. Margaret verbrachte die meiste Zeit im Stehen und hielt sich an einer Lederschlaufe fest, die an einem der Schotts befestigt war, oder sie saß auf einem Schemel mit Rosalind oder einem der anderen Kinder auf dem Schoß. Sie aß kaum etwas und nippte nur dann und wann an dem Becher mit Schwarzbier, den die Frauen alle Stunde einmal herumreichten. Ihr war die ganze Zeit übel, ihr Kopf schmerzte und ihre Eingeweide krampften sich zusammen, sodass sie acht oder neun Mal am Tag zum Eimer eilen musste.
Doch wenn Margarets Zustand jämmerlich war, so war Marys noch weitaus schlimmer. Sie war die einzige Frau, die die ganze Fahrt über im Bett lag - sie verließ es während der ganzen Fahrt nicht ein einziges Mal.
Schon bevor sie London verlassen hatten, hatte Margaret gewusst, dass es Mary nicht gut ging, doch aufgrund des Aufstands, Lancasters Tod und ihrer anschließenden Verbannung aus England hatte sie keine Zeit gehabt, sich um sie zu kümmern.
Das bedauerte sie nun aus ganzem Herzen.
Als Mary an Bord des Schiffes
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