Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Rimmzahn. Er soll entscheiden, was mit euch geschieht.«
    Hände griffen nach Cedric und rissen ihn auf die Beine. Benommen ließ er sich mitziehen.
     
    Peddyr rannte. Mit langen Sprüngen überwand er Unterholz, umgestürzte Bäume und abgerissene Äste. Er konnte die Höhle, zu der Maurice ihn geschickt hatte, noch nicht sehen, aber er wusste, dass er ihr nahe war. Die Felsen ragten bereits vor ihm auf.
    »Marcas!«, schrie er.
    Keine Antwort, aber er hatte auch nicht mit einer gerechnet. Der Elf mit dem Körper eines Kraken sprach nur wenig, manchmal mit dem Mund, dann wieder mit dem Geist. Beides fiel ihm schwer.
    Ein letzter Sprung, dann sah er einen schmalen, dunklen Eingang zwischen grünen Kletterpflanzen. Er zog Zweige zur Seite und betrat die Höhle. Das Sonnenlicht, das hinter ihm durch den Eingang ins Innere fiel, erhellte graue Felsen und grünes Moos. Wasser tropfte von der Decke und lief an den Wänden nach unten. Pfützen bedeckten den Boden.
    »Marcas?«
    Ein Teil von ihm fragte sich plötzlich, ob Maurice ihn angelogen hatte. Was er behauptet hatte, stimmte. Niemand außer seinen Freunden würde Marcas vermissen. Ob er lebte oder starb, interessierte weder die Anhänger des Schattenlords noch die Iolair.
    »Marcas?«
    Hier, sagte eine leise Stimme in seinem Kopf.
    Erleichtert schloss Peddyr einen Moment lang die Augen. »Wo?«, fragte er.
    Hinter dem vorstehenden Felsen.
    Peddyr ging tiefer in die Höhle hinein. Auf seiner linken Seite sah er den Felsen, den Marcas gemeint haben musste, eine Sekunde später den Krakenjungen. Er hockte in einem winzigen Tümpel, kaum größer als eine der Pfützen, und winkte ihm mit einem Tentakel zu.
    »Alter, bin ich froh, dich zu sehen.« Obwohl Luca weg war, hatte Peddyr die Worte, die er benutzt hatte, nicht abgelegt. Sie erinnerten ihn an seinen Freund. »Geht's dir gut?«
    Er ging neben dem Tümpel in die Hocke. Seine Krallen kratzten über den Fels.
    Ja. Nichts passiert. Marcas richtete sich auf und zog sich mit seinen Tentakeln aus dem Wasser. Seine Haut glänzte feucht. Es sah nicht so aus, als liefe er Gefahr, auszutrocknen.
    Also hat Maurice gelogen, dachte Peddyr, nur nicht so, wie ich befürchtet habe. Er hat Marcas' Leben nicht riskiert.
    »Soll ich dich zum Fluss tragen?«, fragte er.
    Nein. Gehen.
    »Tragen geht aber viel schneller.«
    Tut weh.
    »Dann gehen wir.«
    Peddyr sah Marcas so selten außerhalb des Wassers, dass er fast vergessen hatte, wie unbeholfen er sich an Land bewegte. Seine Tentakel konnten das Gewicht des großen, ballonförmigen Kopfes kaum tragen. Bei jedem Schritt kämpfte Marcas um sein Gleichgewicht. Er bot einen grotesken Anblick.
    Kein Wunder, dass seine Eltern ihn erschlagen wollten, dachte Peddyr, als sie die Hütte verließen. Im nächsten Moment schämte er sich für den Gedanken.
    Kann dich hören, sagte Marcas.
    Mist. Peddyr räusperte sich. »Tut mir leid, war nicht so gemeint.«
    Nicht schlimm. Marcas watschelte langsam neben ihm her. Bei dieser Geschwindigkeit würden sie mindestens eine halbe Stunde bis zum Fluss brauchen.
    »Kannst du mir sagen, wie Maurice dich dazu gebracht hat, das Wasser zu verlassen, oder ist das zu anstrengend?«, fragte Peddyr.
    Zeig es dir. Marcas streckte einen Tentakel aus und ergriff seine Hand. Die Haut war weich wie teures Leder und kühl. Einen Moment lang verstand Peddyr nicht, was die Berührung sollte, doch dann tauchten plötzlich Bilder vor ihm auf und schoben sich über die Realität.
    Er schwamm im Fluss. Wasser benetzte seine Augen und verzerrte alles, was er sah. Ein Mann kam auf ihn zu. Peddyr wusste, dass es Maurice sein musste, auch wenn er ihn nicht erkennen konnte. Wabernde, seltsam blasse Farben hüllten ihn ein, und er zog eine Spur hinter sich her, die wie ein vergehender Regenbogen aussah. Die Farben liefen ineinander, manche hell, manche dunkel, manche so fremd, dass Peddyr keinen Namen für sie hatte. Fasziniert streckte er die Hand aus, aber seine Finger glitten durch das Bild und fanden nur Luft.
    »Siehst du uns alle so?«, fragte er.
    Marcas antwortete nicht. Auf dem Bild, das er Peddyr zeigte, kam der Mann näher und blieb am Ufer stehen.
    »Rimmzahn hat deine Freunde gefangen genommen«, sagte er mit verzerrter, dunkler Stimme. »Er weiß alles. Komm, ich bringe dich zu Bricius.«
    Das Bild verschwamm und löste sich auf. Peddyr blinzelte. »Und dann hat er dich gepackt und hierher gebracht?«
    »Ja.« Marcas' Stimme war ein angestrengtes Keuchen. Er

Weitere Kostenlose Bücher