Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Tür der Hütte. Sie war geschlossen, doch dahinter hörte Cedric Rimmzahn lachen. Einer seiner Bewacher, ein junger Mann, der zu den Gestrandeten gehörte, klopfte.
    »Herr«, sagte er durch das Holz. »Wir bringen dir zwei Gefangene.«
    Herr? Aus den Augenwinkeln sah Cedric, wie Bricius die Augenbrauen hob. Ihm war die Anrede ebenfalls aufgefallen, aber im Gegensatz zu Cedric wusste er nicht, wie unüblich sie in der Welt war, aus der sein Bewacher stammte. Vor einigen Wochen hätte der junge Mann wahrscheinlich gelacht, wenn ihm jemand gesagt hätte, er würde schon bald einen anderen Passagier als »Herr« ansprechen.
    Wir haben uns alle verändert, dachte Cedric, aber niemand mehr als die Gläubigen und ihr Anführer.
    Aus dem Inneren der Hütte sagte Rimmzahn: »Kommt herein!«
    Die Wache öffnete die Tür und trat ein. Cedric und Bricius folgten dem Mann. Der Raum lag im Halbdunkel, durch die zugezogenen Vorhänge sah man nur dünne Lichtstrahlen, in denen Staubpartikel tanzten. Es roch nach Tee.
    Cedrics Augen gewöhnten sich rasch an das Halbdunkel. Die Hütte bestand aus einem Raum, so wie alle anderen rund um den Platz auch, aber die Einrichtung war edler. Ein schwerer Vorhang trennte den Schlafbereich vom Rest des Zimmers ab, an einer Wand erhob sich ein großer, mit zahlreichen Schnitzereien versehener Schrank, davor ein gepolsterter Sessel. Der Teppich, der den Boden bedeckte, endete kurz vor einem langen Tisch, an dem mehrere mit Leder überzogene Stühle standen. Auf einem davon saß Rimmzahn, auf einem anderen Maurice.
    Cedric blinzelte überrascht. Als er den Franzosen das letzte Mal gesehen hatte, war er mit gesenktem Kopf durch das Lager geschlichen, ein Außenseiter, der seit seinem Verrat von den Gläubigen isoliert war. Doch nun saß er in Rimmzahns Hütte und trank Tee, als wäre nichts geschehen.
    Was geht hier vor?, fragte sich Cedric mit plötzlichem Misstrauen.
    Rimmzahn erhob sich. Der Schattenelf an seiner Seite machte die Bewegung mit. Wie eine schwarze Wolke schwebte er im Zimmer. Beklemmung überkam Cedric, als gäbe es in der Hütte nicht genügend Luft für ihn und den Schattenelfen. Mühsam unterdrückte er das Gefühl.
    »Verzeiht, Herr.« Der junge Mann senkte den Kopf. »Wir wollen dich nicht stören, aber die Angelegenheit erscheint uns wichtig.«
    Rimmzahn musterte Cedric und Bricius einen Moment lang, dann wandte er sich an ihren Bewacher. »Was ist geschehen?«
    »Der Iolair und der Sucher haben in eine rechtmäßige Bestrafung eingegriffen und sie verhindert. Horst wurde dabei verletzt.«
    »Und das Objekt der Bestrafung?«
    »Konnte entkommen.«
    »Ich verstehe.« Rimmzahn strich sich mit einer Hand über das Kinn und schwieg. Cedric hatte den Eindruck, dass er auf etwas lauschte, was nur er hören konnte – etwas in seinem Kopf.
    »Lasst uns allein«, sagte er dann.
    Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Das ist zu gefährlich, Herr. Diese Elfen besitzen starke Magie und ...«
    Ein Knall unterbrach ihn. Maurice hatte mit seinem Holzbecher so heftig auf den Tisch geschlagen, dass der Tee darin überschwappte.
    »Ist dein Glaube wirklich so schwach?«, fragte er in die plötzliche Stille hinein. »Denkst du, dass der Prophet sich vor ein paar Zaubertricks fürchten muss?«
    Die Wachen schüttelten gleichzeitig den Kopf.
    »Gut, denn ihr habt ja an mir gesehen, wohin Zweifel und Unsicherheit führen können.« Maurice stand auf und stützte die Handflächen auf die Tischplatte. Die Teelache, in der sie landeten, schien er nicht zu bemerken. »Ich habe am wahren Glauben gezweifelt. Ich war unsicher, ob der Schattenlord wirklich unser Messias ist. Ich habe unseren Herrn verraten.«
    Er machte eine Pause. Niemand sagte etwas, nur Rimmzahn lächelte. Auf Cedric wirkte er ebenso amüsiert wie zufrieden.
    »Doch wie ein versprengtes Schaf habe ich zur Herde zurückgefunden«, fuhr Maurice fort. »Während ich allein in meinem Exil mit der Schuld, die auf mir lastete, haderte, kam der Schattenlord und reichte mir seine Hand. Und unser Prophet hat mich voller Gnade wieder aufgenommen. Auf ewig werde ich ihm dafür dankbar sein.«
    Er verneigte sich tief, doch bevor Rimmzahn auf seine Geste reagieren konnte, richtete er sich bereits wieder auf. »Also folgt mir nach draußen«, sagte er, »und betet, bis sich eure Zweifel wie Morgennebel in der Sonne auflösen.«
    Die Wachen zögerten, aber dann drehte sich einer nach dem anderen um und verließ die Hütte. Maurice wandte sich an

Weitere Kostenlose Bücher