Gesang des Drachen
fällt dir ein, mich so zu entehren?«, sagte Bricius plötzlich. »Ich bin ein Iolair und ein Krieger. Ich verstecke mich nicht hinter anderen!«
Dumpfer Schmerz setzte hinter Cedrics Schläfen ein. Er schloss einen Moment lang die Augen, um sich zu sammeln. »Ich versuche nur, uns beiden das Leben zu retten, damit wir diesem Dreckskerl ein anderes Mal in die Weichteile treten können. Etwas Besseres ist mir nicht eingefallen.«
»Dann hättest du mich reden lassen sollen. Ich ...«
Die Tür wurde geöffnet. Cedric zuckte unwillkürlich zusammen, doch ihm stürmten keine Wachen mit Schwertern entgegen. Stattdessen machte Frans einen Schritt in die Hütte.
»Du kannst gehen«, sagte er zu Bricius. Er klang enttäuscht. »Der Prophet hat in seiner Weisheit entschieden, Gnade walten zu lassen. Gepriesen sei der Schattenlord.«
Sein Blick glitt zu Cedric, der trotzig den Kopf hob. »Und deine Leute haben den umgestürzten Baum immer noch nicht zerkleinert. Kümmere dich darum, bevor ich es tue.«
»Was?« Cedric konnte kaum glauben, was er da hörte.
Frans deute mit dem Kinn auf den Platz. »Du hast mich schon verstanden. Raus jetzt!«
Benommen trat Cedric ins Licht der Mittagssonne. Einige Gläubige spuckten vor ihm aus, aber er beachtete sie nicht. Seine Gedanken drehten sich nur um Rimmzahns unverständliche Entscheidung.
»Er hat von Anfang an gewusst, dass er keinen von uns bestrafen würde«, sagte Bricius neben ihm leise. »Das war nur ein Spiel.«
Cedric nickte. Das war die einzige Erklärung, die Sinn ergab. »Aber zu welchem Zweck?«
»Das weiß ich auch nicht. Er braucht uns für etwas, nur so viel ist klar.«
Schweigend gingen sie weiter. Cedric bemerkte, dass Rimmzahn nicht einmal ihre Wachen verstärkt hatte. Alles war so wie vor dem Zwischenfall.
»Ich wünschte, er hätte mich bestraft«, sagte er.
Bricius lächelte, aber es lag kein Humor darin. »Ich auch.«
»Du bist ein Verräter?« Duibhin zischte die Worte wie jedes Mal, wenn er wütend war. Das maskenhafte Echsengesicht ließ keine Mimik zu und zwang ihn, alle Gefühle in seine Stimme zu legen – oder in seine Fäuste. Duibhin neigte zum Jähzorn, das wusste sogar Marcas.
Er ließ sich im Fluss treiben. Nach dem Tümpel in der Höhle kam ihm das Wasser so rein und süß vor, dass er es nie wieder verlassen wollte. Es bedeckte seine Haut und verzerrte die Stimmen seiner Freunde, die sich am Ufer stritten. Duibhin war der Wortführer, Ciar, der Junge mit der schieferschwarzen, harten Haut, nickte zwar bei jedem seiner Worte, aber Marcas spürte, dass er den Streit nicht ernst nahm. Er wartete nur ab, bis die anderen fertig waren, damit er wieder mit ihnen angeln konnte. Duibhin nannte Ciar manchmal dumm, vielleicht war er das auch. Marcas war sich nie sicher, wie man Dumme und Kluge voneinander unterschied. Jeder sagte etwas anderes, wenn er danach fragte.
Peddyr stand mit gesenktem Kopf vor Duibhin. Er sagte nichts zu seiner Verteidigung. Weder er noch die anderen beiden beachteten Marcas. Obwohl Peddyr seinetwegen zum Verräter geworden war, schien seine Meinung für sie keine Rolle zu spielen. Das war ihm recht. Er war zu erschöpft, um sich an dem Streit zu beteiligen. Wahrscheinlich hätte er sowieso das Falsche gesagt.
Ich bin sogar unter den Ausgestoßenen ein Ausgestoßener, dachte er. Sie mögen mich, aber sie verstehen mich nicht, und mir geht es genauso.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Ciar. »Sollen wir Bricius Bescheid sagen?«
»Nein!« Peddyr stieß das Wort hervor. »Er wird mich umbringen, wenn er davon erfährt.«
»Uns alle.« Duibhin trat in den Ufersand. »Verstehst du überhaupt, was du kaputt gemacht hast, Peddyr? Zum ersten Mal waren wir wichtig. Es ist mir egal, ob Bricius uns nur ausgenutzt hat, wie dieser Maurice gesagt hat. Er hat uns eine Aufgabe gegeben. Wir hätten dem ganzen verdammten Dorf beweisen können, dass wir kein Fluch für unsere Familien sind. Mein Vater wäre stolz auf mich gewesen. Und meine Mutter ...« Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Was soll's ... das ist vorbei.«
Ciar kratzte sich. Es klang, als würde man Holz schnitzen. »Also sagen wir Bricius nichts?«
»Nein.«
Peddyr wirkte erleichtert. »Gute Idee. Wir machen einfach weiter wie bisher und tun so, als sei die ganze Sache nie passiert.«
»Bist du verrückt?« Duibhin stieß Peddyr mit beiden Händen zurück. Der Vogeljunge taumelte und wäre beinahe gestürzt. »Damit würden wir den Widerstand
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