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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gefährden. Maurice weiß jetzt, dass er uns erpressen kann. Heute hat er Marcas entführt, wer weiß, was er als Nächstes versucht.«
    »Ich würde mich nicht entführen lassen«, sagte Ciar.
    Duibhin ignorierte ihn. »Wenn wir dem Widerstand helfen wollen, dürfen wir nichts mehr tun und nichts mehr erfahren. Je weniger wir wissen, desto besser.« Er sah die anderen beiden an. »Wir werden keine Botengänge mehr annehmen. Geht Bricius und Cedric aus dem Weg, wann ihr könnt, und wenn euch einer von beiden anspricht, sagt ihr, das alles sei euch zu gefährlich geworden.«
    Peddyr nickte. Ciar hörte auf, sich zu kratzen. »Ich will aber nicht wie ein Feigling klingen.«
    »Besser ein Feigling als ein Verräter. Feiglinge werden verhöhnt, aber Verräter landen mit durchschnittener Kehle in einem Graben.«
    Marcas schwamm so nahe ans Ufer, dass seine Tentakel den weichen Sand berührten. Nach Duibhins letztem Satz schwiegen seine Freunde. Ciar wirkte enttäuscht, Peddyr stand mit zusammengekniffenen Lippen da und betrachtete seine Klauen. Marcas hatte ihn noch nie so bedrückt erlebt.
    Er zwang seine Gedanken zur Ordnung und formulierte mühsam einen Satz mit ihnen. Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast.
    Peddyr zuckte zusammen, dann drehte er kaum merklich den Kopf und sah Marcas an. Danke, schien sein Blick zu sagen.
    Marcas stieß sich vom Ufersand ab und schwamm zur Mitte des Flusses. Nach dem langen Marsch schmerzte sein ganzer Körper, aber die Strömung würde ihn seinem Ziel entgegentragen. Entspannt ließ er sich treiben.
    »Wo willst du denn hin?«, rief Peddyr ihm vom Ufer zu. Auch die anderen sahen nun in seine Richtung.
    Zu den Kindern, antwortete Marcas in seinem Geist. Ich will wissen, was sie mit den Kindern machen.
    »Warte! Das ist zu gefährlich. Marcas, bleib hier!«
    »Was hat er gesagt?«, fragte Duibhin.
    Marcas tauchte unter. Das Wasser schlug über ihm zusammen, die Rufe verstummten.

8.
    Am scharlachroten Stumpf
     
    Naburos Herz hämmerte. Er drängte Angst und Verzweiflung zurück, atmete tief ein und entspannte sich mit dem Ausatmen in der Umklammerung der Grasspinne, soweit es ihm möglich war. Sein Rücken schrammte über Steine, der Kopf stieß an einen Ast. Er ignorierte den Schmerz und stellte sich vor, wie er unter den Kirschbäumen Bóyas saß, die Beine gekreuzt, während weiße Blüten um ihn herum zur Erde segelten. Angespannt sammelte er seine Gedanken.
    Mein Schwert fuhr durch das Untier hindurch. Es kann sich unsichtbar machen, und es sendet grünes Feuer. Meine Zauber prallen an ihm ab. Was kann ich tun?
    Das Bild Spyridons zuckte in ihm auf, doch Naburo schob es beiseite. Spyridon war fort, er konnte nicht eingreifen. Wenn Naburo eine Lösung finden wollte, wie er dieser Bestie beikam, musste er sich konzentrieren. Er sammelte seine Energie und schickte sie hinaus in die Richtung des vielbeinigen Ungeheuers. Stück für Stück erfühlte er das Wesen aus Gras und Hass, das ihn verschleppte. Je tiefer seine hellseherische Fähigkeit in den Gegner eindrang, desto besser verstand er ihn.
    Erkenntnisfetzen tanzten wie ein Kaleidoskop in seinem Verstand. Mühsam setzte er sie zusammen. Sie wurden zu Regen, Flammen und Schnee.
    Das Wesen stammt aus einem Feuerreich wie ich. Aber es verabscheut das Wasser. Naburo öffnete die Augen, wob blitzschnell einen neuen Zauber und warf ihn über die Spinne. Es war ein Netz aus feinen Wassertropfen, dunkelblau und von starker Magie durchtränkt.
    Die Spinne stieß ein helles Kreischen aus, stellte sich auf drei der zehn Beine und ließ ihn los. Blitzschnell durchtrennte Naburo die Fesseln aus Gras, die seine Füße hielten. Er sprang auf und sah sich seiner Feindin zum ersten Mal auf beiden Beinen gegenüber. Er spürte den Willen zur Vernichtung in ihr. Sie wollte ihn töten. Nicht nur, um ihn zu fressen, sondern um ihn auszulöschen. Ihre Empfindungen legten sich wie ein schwarzes Tuch über Naburo und drückten auf seine Brust, sodass ihm das Atmen schwerfiel.
    »Dir geht es bloß um Hass und Rache, was?«, brachte er hervor. »Aber sind das deine eigenen Gefühle?«
    Er sah sich aus den Augenwinkeln um. Sie standen auf einer Hügelkuppe, ein gutes Stück entfernt von der Stelle, an der die Spinne ihn gepackt hatte. Außer einem scharlachroten Baumstumpf gab es keine Erhöhung in einem Meer aus bunt gesprenkeltem Grün. Von Spyridon war weit und breit nichts zu sehen. Trotzdem spürte Naburo, dass sie nicht allein waren.

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